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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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20. Heft
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

AUSSTELLUNGEN
MÄGDEBURGER KUNSTSCHÄU
1911 Es ift für jeden Liebhaber der Kunft ein
erfreulicher Moment, wenn der Kunftmarkt er-
weitert wird und er hoffen darf, daß dadurch
das Niveau von Angebot und Nachfrage fich
hebt; felbft wenn er fich an beiden nur pla-
tonifch beteiligen kann. Denn er darf erwarten,
daß dadurch in die „verdammte Bedürfnislofig-
keit“ in rebus artibus wieder eine Brefche ge-
fchlagen wird. Als folch eine Erweiterung des
Marktes ift darum ein großer Ausftellungsbau,
wie ihn die Stadt Magdeburg am 1. Oktober
den Vereinen für Kunft und Kunftgewerbe über-
geben hat, unbedingt zu begrüßen, und man
darf der Elbftadt Glück wünfchen, daß ihre Frei-
gebigkeit damit — nach der Errichtung des
Kaifer Friedrich-Mufeums — den zweiten Schritt
zu einer intenfiven Kunftpflege getan hat. Hoffen
wir, daß als dritter bald eine Reformierung der
architektonifchen Äfthetik hinzutreten werde; den
Neubau des Ausftellungshaufes darf man, mit
feiner mißlungenen Portalplaftik, nur teilweife
zu den Anläufen auf diefem Gebiete rechnen.

Der Kunftverein hat fich beeilt, die Eröffnung
des Gebäudes durch eine umfaffende „Kunft-
fchau“ würdig zu betonen. Er ift dabei von
einem neuen und, wie es fcheint, glücklichen Ge-
danken ausgegangen: Die Leitung der Aus-
heilungen hat man der Weimarer Kunfthandlung
Broderfen übergeben, und diefe ift es, welche
die erfte und alle künftigen Kollektionen von
Bildern und Skulpturen zufammenbringt.

Es ift fo etwas wie eine Gefamtüberficht über
das heutige bildnerifche Schaffen in Deutfchland.
Die Kunftfchau füllt die drei Oberlichtfäle völlig
und von den unteren drei faft ganz die beiden
feitlichen Räume (der Mittelraum ift, weil zugleich
Eingangs- und Treppenhalle, wenig für Aushei-
lungen zu gebrauchen). Am reichlichften ift die
Berliner Sezeffion vertreten, was ja auch nahe
lag, und dann der füddeutfche „gemäßigte“ Im-
preffionismus mit Kalckreuth an der Spiße; auf
dem rechten Flügel findet fich etwas Feinmalerei,
auf dem linken eine ganz gefchickte kleine Aus-
wahl aus dem Lager der Expreffioniften. Ganz
fehlt die von vielen erwartete Genremalerei,
deren Nichtvorhandenfein auf den bisherigen
Ausheilungen faft zu einer Spaltung des Kunft-
vereins geführt hätte. Es fcheint, als ob fie
ausgeftorben ift oder wenigftens ihr Befchaffen
nicht mehr ohne erhebliche Einbuße an künft-
lerifcher Qualität möglich ift, was im Intereffe
des guten Friedens unter den Magdeburger
Kunftfreunden zu bedauern ift.

Liebermann fteht mit einem prachtvollen

(wohl aus den neunziger Jahren ftammenden)
„Schweinemarkt“, mit einem guten Selbftbildnis
und zwei famofen Skizzen obenan, von Sle-
vogt fieht man das temperamentvolle Kleopatra-
bildnis der Durrieux aus Caffirers Befiß und eine
unbedeutende Landfchaft, Beckmann glänzt
durch fein hier wirklich ausgezeichnet wirkendes
Gefellfchaftsftück „Unterhaltung“, bei dem man
es fogar wagt, ein wenig die Parallele zu Manet
und Velazquez zu ziehen; zweifellos ein glän-
zendes Mufeumsbild. In feinem Gefolge er-
fcheinen ein paar gute Porträtiften: der ftark
und gerade charakterifierende E. A. Dieße und
der Magdeburger Giefe. Waldemar Rösler
ift in feinem lebensgroßen Selbftbildnis am Fenfter
beffer als in der Landfchaft; es gibt aber wün-
fchenswertere Dinge von ihm. Leo v. König
zeigt feinen fchönen „Pierrot“, deffen breite und
weiche Tonigkeit wohl auf Cezanne weiterge-
baut ift; Ulrich Hübner und Theo v. Brock-
hufen halten fich noch gerade auf ihrer Höhe,
bei Brockhufen kann man wohl von einer aber-
maligen Zunahme des van Goghfchen Einfluffes
fprechen. Daß auch die von Lieberman, Co-
rinlh uff. Angeregten nicht fehlen, verfteht fich:
Philipp Franck, Greve-Lindau, die Düffel-
dorfer Weftendorp, Clarenbach, Breß, der
recht unbeholfen, faft roh wirkende Haueifen.
Brandenburg ift mit einer hyfterifchen Heß-
jagd von Menfchen, die angeblich zum Chrift-
kind nach Bethlehem eilen, ungenießbar, Ba-
lufchek ifts ja immer; Hans Meid enttäufcht
durch eine unerfreulich zähe Farbe, und nur
L. v. Hofmann zeigt fich in einem (fchon be-
kannten) Paftell von feiner anmutigften Seite.

L. v. Kalckreuth verftärkt mit einer fchönen
grünen Gartenlandfchaft und einem reizenden
Damenbildnis den freien liebenswürdigen Ein-
druck, den diefer nach Hamburg ausgewanderte
Führer der Süddeutfchen ftets macht. Dill und
Holzel (diefer mit ernfthaften, nur etwas dunkel-
tonigen Figurenbildern) erfcheinen ebenfo wie
Sperl, Hayeck, Groeber, R. Kaifer auf
ihrer Höhe, wenn auch nichts Außergewöhn-
liches aus Süddeutfchland vorliegt; die „Scholle“
ift fo gut wie unvertreten, die jüngften Münchner
ganz, dagegen präfentiert fich die Karlsruher
Landfchaft anftändig.

Unter den Malern, die neue Wege fuchen und
meift noch ftarke Anfeindungen zu erleben haben,
bringt der reiffte und größte: F. Hodler zwei
wundervoll ruhige große Landfchaften, vom
Genfer See und vom Jungfraugebirge. Man
fchäßt ihn faft ausfcbließlich als Figurenmaler;
vielleicht wird eine andere Zeit finden, daß er
als Landfehafter ebenfo Großes und dabei Har-
monifcheres gefchaffen hat. Von den Jüngften

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