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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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19. Heft
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Ausstellungen
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Denkmalpflege
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DENKMALPFLEGE

gemeinen bis auf wenige Ausnahmen nach Kräften
fern gehalten; das mag in diefem Falle nicht
ganz leicht gewefen fein. K. R.

ZUG Im Theaterkafino findet eine intereffante
Äusftellung der Plaftikerin Ida Schaer-Kraufe
und des Malers Guftav Garn per ftatt. Frau
Schaer-Kraufe bietet befonders in Kinderplaftiken
eine fehr lebendige, durch Einfachheit und Na-
türlichkeit gleich reizvolle Kunft; auch ihre Por-
trätplaketten find von nicht gewöhnlicher innerer
Wahrheit und plaftifdier Kraft. Guftav Gamper
bringt über fechzig Aquarelle mit perfönlich ge-
fehenen Landfchaftsimpreffionen. J. C.

DENKMALPFLEGE
SÜNDEN IN DER VERWALTUNG
DER KUNSTSCHÄTZE FRANK-
REICHS Würden Pflichtbewußtfein, Gehor-
fam und Disziplin im Unterftaatsfekretariat der
Schönen Künfte die Hausgötter fein, fo würden
in der Zentralverwaltung der nationalen Kunft-
denkmäler nicht fo unwürdige Zuftände herrfchen,
wie fie fich durch die zahllofen Diebftähle in
den Mufeen und Kirchen Frankreichs, die auch
in unferer Zeitfchrift leider eine ftändige Rubrik
bilden, dokumentieren. Den Geift der Nach-
läffigkeit, den Mangel an Ernft, Energie und
Subordination, den die rue Valois diktiert, findet
man in der gefamten Verwaltung der Kunft-
fchätje des Landes. Daß der Diebftahl der Mona
Lisa nicht die letzte Schändung franzöfifcher
Mufeen bleiben wird, ift zu fürchten nach den
Maßregeln, die die Staatsregierung nach dem
Raub des Bildes getroffen hat. Es ftand zu er-
warten, daß der Unterftaatsfekretär der Schönen
Künfte, Herr Dujardin-Beaumetz, fein Porte-
feuille dem Präfidenten zur Verfügung ftellte,
daß das gefamte Wächterperfonal des Louvre,
das an dem bewußten Tage im Dienfte ftand,
entlaffen wurde. Jedoch Herr Fallieres ließ
weder feinen Bufenfreund fallen, noch wurde
die Dienerkorporation des Louvre ohne Rück-
fichtnahme gemaßregelt. Der Chef des Wächter-
perfonals und nur einzelne Diener find entlaffen
worden und zum Erftaunen der gefamten Parifer
Künftler- und Literaturwelt ift ein verdienftvoller
Gelehrter, Jean Theophile Homolle, der
Direktor des Louvre, dem aber die Wächterfchaft
gar nicht unterftand, von feinem Amte enthoben
worden. Um die Halbheit diefer Maßregelung
zu fteigern, ift der Louvre fodann gleichzeitig
dem Finanzmini ft erium und dem Unterftaats-
fekretariat der Schönen Künfte unterteilt worden;
Pujalet, Inspecteur general des Services ad-
ministratifs, ift proviforifch zum Direktor der

Nationalmufeen ernannt worden. Diefes Provi-
forium wird natürlich wie alleProviforien dauernd
werden. Wenn Pujalet in den erften Wochen
auch ein wenig Schneid und Energie zum Beften
gab, fo erweckt es doch bedauerndes Verwun-
dern, daß bei der Neubefejzung eines folchen
Poftens Leute wie Pierre Marcel, Jean Guiffrey,
befonders aber Roger Marx und Louis Reau
übergangen werden. Vor allem die beiden letz-
teren befißen internationale Erfahrungen genug
um zu wiffen, daß der ganze Stamm der Louvre-
diener untauglich ift. Die Galeriediener, die fich
im Louvre lefend, jchwatzend oder fchlafend die
Zeit vertreiben, die von einer fprichwörtlichen
Unhöflichkeit gegen die Befucher find, kennen
die Kunftwerke nicht, die fie zu bewachen haben,
können niemandem präzife Auskunft geben.
Ihre Indolenz, Trägheit und Unhöflichkeit würde
in keinem Museum eines anderen Landes ge-
duldet werden. Aber faft in allen franzöfifchen
Mufeen herrfchen die gleichen Zuftände. Wenn
man in einigen Provinzmufeen wie in Caen,
Reims und La Rochelle unter den Dienern Höf-
lichkeit, Liebenswürdigkeit und Intereffe an den
Kunftwerken felbft wahrnimmt, fo ift das wirk-
lich Zufall und Ausnahme. Zu der Untauglich-
keit des Dienerperfonais in den franzöfifchen
Mufeen, die ich außerhalb von Paris in Bayeux,
Cherbourg, Chälons-sur-Marne, Laon, Orleans,
Rouen u. a. felbft erfahren habe, kommt die leicht-
fertige Art, in der überall die Kunftwerke befeftigt
find. Kleine und große Bilder hängen an ein-
fachen Nägeln, von denen fie mit leichtem Griff
entfernt werden können. Kleinplaftik und Bi-
belots ftehen oder liegen häufig ganz frei um-
her. Diebftähle find die natürlichen Folgen diefer
Nachläffigkeit, die fich häufig und unbemerkt
ereignen können, weil obendrein in den wenig-
ften franzöfifchen Mufeen vollftändige Kataloge
exiftieren. Gelegentlich des Raubes der Mona
Lisa find ja auch eine Reihe von Diebftählen im
Louvre entdeckt worden. Die Tageszeitung
Paris-Journal, die eine Prämie für geftohlene
Gegenftände aus dem Louvre ausfetzte, hat es
auch erreicht, daß zwei phönizifche Statuen, von
dem Dieb die Eine, von einem Sammler, der
fie von einem Dieb erworben hatte, die Zweite
dem Louvre zurückerftattet wurden. Gelegentlich
diefer Entlarvungen wurde der Öffentlichkeit
auch bekannt, daß die Firma Braun, Clement & Co.
feit Jahrzehnten auf einen Erlaß hin des Präfi-
denten Fallieres, als er Unterrichtsminifter war,
das Recht hat ohne Kontrolle Kunftwerke aus
dem Louvre in ihr Atelier fchaffen zu laffen,
um fie dort tagelang zu behalten. (Meines
Wiffens läuft der Vertrag der Firma Braun mit
dem Louvre demnächft ab. Ob wohl jemand

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