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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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11. Heft
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Biermann, Georg: Römische Ausstellungen, [2]: die Internationale Kunstausstellung in Valle Giulia
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0455

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RÖMISCHE AUSSTELLUNGEN

II. DIE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG IN
VALLE GIULIÄ von georg biermhnn

Wenn es der Zweck diefer Konkurrenz unter den Kulturvölkern der Welt war,
den Befuchern Roms im Jubiläumsjahre einen Überblick über den jeweiligen
Stand künftlerifcher Betätigung bei den einzelnen Nationen zu vermitteln, [o kann
man getroft Jagen, daß dieje Abficht auf der ganzen Linie nirgends verwirklicht
worden ift.

Denn es ift bei diefer Veranftaltung nicht anders wie bei allen ähnlichen, die halb
offiziellen Charakter haben: Die Arbeit hat fich nach einem beftimmten Programm voll-
zogen, das forgfältig jedes Extrem vermied. Die Repräfentation der Völker Juchte
das Allgemeine, die breiten Umrißlinien und hat faft nirgends für einzelne ftarke
Perfönlichkeiten Raum gegeben. Das ift wie immer — beklagenswert. Denn hier
und dort hätte vielleicht ein einziger Meifter, vollwertig repräfentiert, dem Ganzen
zu einem bedeutenderen Niveau verholfen als es jeßt vergeblich gejucht wird.

Der Romreifende denkt wohl in der Hauptftadt der Welt zuletzt an die künftlerifche
Gegenwart und felbft den Kunftbefliffenen unferer Tage wird auch im Jubiläumsjahre
die fixtinifche Kapelle näher liegen als — der Wettftreit der Völker und ihrer Repräfen-
tanten; denn die ganze moderne Kunft wiegt für unfere hiftorifch begründete An-
fchauung nirgends den einen Michelangelo auf, neben dem felbft die Koryphäen der
modernen Malerei ewig klein und unbedeutend erfcheinen. Vielleicht mit Unrecht.
Daran ift nicht allein die Hochachtung vor der Vergangenheit fchuld, der wir alle
mehr oder minder unterliegen, fondern vielmehr die Einficht, daß die heutige Zeit ein
Stadium des Überganges darftellt, in dem die wahrhaft große, kulturbereitende Perfön-
lichkeit auf künftlerifchem Gebiete nicht zu entdecken ift.

Aber troß diefer durch den römifchen Boden felbft genährten Erkenntnis hat es
einen gewiffen Reiz, im Tal unterhalb des Pincio die moderne Zeit um Anerkennung
ringen zu fehen. Italien wollte in erfter Linie im Konkurrenzkampf zeigen, daß die
letzten fünfzig Jahre auch der modernen Kultur reichlich zu ftatten gekommen find,
daß es fich künftlerifch vollberechtigt an der Seite der anderen Schwefterftaaten fehen
laffen darf und wer unter diefem Gefichtspunkt die zehn und mehr Pavillons der
Nationen betrachtet, findet in der Tat manchen intereffanten Vergleichspunkt, der die
ganze Ausftellung zu einem kleinen Erlebnis machen kann. Denn es fei offen gejagt,
Italien fticht nicht fchlecht ab. Es hat alle verfügbaren Kräfte mobil gemacht, um
trotzig und ftark jenem ungerechten Vorurteil zu begegnen, als fei die moderne italieni-
fche Kunft nur dritten Ranges. Im Gegenteil, ich habe die deutliche Empfindung, als
fei die italienifche Kunftfchau wert, intenfiver als fo manche andere ftudiert zu werden,
als bereite fich troß aller Paradoxe und Bluffs, die man oft gern nicht gefehen hätte,
im Lande der Raffael und Michelangelo eine neue Renaiffance vor, die einmal der
Tradition wieder näher gerückt ift, dann aber auch die Errungenfchaften der modernen
Technik fich fehr wohl zunuße zu machen weiß. An prominenten Perfönlichkeiten
fehlt es freilich noch immer, aber der Durchfchnitt ift gut und Leute wie der Plaftiker
Medardo Roffo find fogar eine Note auf dem Gebiete der modernen Kunft. Italien
würde noch beffer abfchneiden, hätte es nicht den Spanier Zuloaga zu Gafte geladen,
der dicht neben den Italienern einen Hauptfaal mit feinen Werken füllt. Diefer neue
Zuloaga ift nichts als ein Tapezier großen Stiles. Der Mann, der einft fo hoffnungs-

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