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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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11. Heft
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Biermann, Georg: Römische Ausstellungen, [2]: die Internationale Kunstausstellung in Valle Giulia
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0456

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RÖMISCHE AUSSTELLUNGEN

voll in die Arena trat, hat als Maler [o ungefähr alles verlernt, was noch an ehrliches
Handwerk gemahnt. Einft fchien er ein neuer Velazquez. Jene Werke hatten den
Ernft der Arbeit, das koloriftifche Etwas, das fie als Bekenntniffe der Raffe auswies.
Der Zuloaga der römifchen Kunftfchau ift eine unerträgliche Blasphemie auf den guten
Gefchmack. In diefen brutal heruntergeftrichenen Leinwänden lebt nicht ein Funken
echter Infpiration. Man fühlt fich unwillkürlich an die Panoramenmalerei erinnert, die
nach 70 dem Deutfchen einft mit Hilfe des Patriotismus künftlerifche Regungen ver-
mitteln follte. Und doch ftehen die Italiener bewundernd vor diefen ihrem abenteuer-
lichen Sinn innerlich verwandten Machwerken eines ganz Senfation gewordenen
Malers. Blutrünftige Phantaftik, dreimal unterftrichene Exotik, die keinerlei malerifche
Qualität mehr befißt, reizt die Phantafie diefes Volkes, der immer noch eine ftarke
Dofis Brigantenromantik eigen ift, und es füllte kaum wundernehmen, wenn diefer
nicht wiederzuerkennende Spanier, den eine urteilslofe Preffe bereits als den großen
Clou der Ausftellung auspofaunt, den hunderttaufend Francs-Preis bekommt. Das
wäre freilich ein Jammer! Neben Zuloaga fteht — auch in einem eigenen Saale —
Anglada, ungleich vornehmer und feriöfer! Aber auch er ift heute im Rahmen der
modernen Kunft nur noch Einer von den Vielen. Seine eigentliche Heimat ift Paris, in
der er allerdings nicht verkümmert, fondern nur gewachfen ift.

Italien fchneidet im ganzen gut ab, foweit man gewiffe Extreme (z. B. Mancini,
einen Routinier fchlimmfter Sorte) außer acht läßt. England hat retrofpektiv feine
Stärke und fteht in diefer Hinficht über allen anderen Nationen. Denn einmal find die
Präraffaeliten wunderbar vertreten (eine Kunft, die überhaupt nur hiftorifch zu goutieren
ift), dann find es die alten Meifter, Hogarth, Raeburn, Conftable, Gainsborough, Rey-
nolds u. a., die diefem Pavillon ein wahrhaft vornehmes und Rom ebenbürtiges Ge-
präge geben. Von der modernen Malerei kann man fehr gut abfehen. Sie ift
(Brangwyn allein vielleicht ausgenommen) hier genau fo fchlecht und unvollkommen
wie bei den anderen Nationen repräfentiert und fie verblaßt doppelt im Hinblick auf
Amerika, das malerifch qualitativ weitaus höher fteht.

Frankreich erlebt für mein Gefühl bei diefem internationalen Wettftreit das traurigfte
Fiasko. Vielleicht weil man fich diefem Pavillon mit begründeten, befonders hoch-
gefchraubten Erwartungen nähert, um im großen und ganzen (zwei Monets und
einige der Jüngften ausgenommen) das Offizielle vom Offiziellen an fchlechter aka-
demifcher Malerei zu erleben, über das auch die wenigen hiftorifch bedeutfamen Stücke
nicht hinwegtäufchen können. Hier ift beinahe nichts, was der großen Evolution des
Landes auf malerifchem Gebiete gerecht wird. Man fieht die Schinken eines Carolus
Durand u. a., die vom Geifte Manets fo weit entfernt find wie wir vom Nordpol und
es ift doppelt beklagenswert, daß diefe Republik, von der man wirklich etwas hätte
erwarten können, in der Repräfentation ihrer Kunft dreimal offizieller ift als jeder
monarchifch regierte Staat im übrigen Europa.

Da lobe ich mir wirklich Deutfchland. Der Pavillon deutfcher Kunft bleibt unter dem
Gefichtspunkt der halboffiziellen Repräfentation der im Durchfchnitt qualitativ Befte der
ganzen Ausftellung. Wer die Entwicklung der modernen deutfchen Kunft miterlebt hat, wird
freilich manches vermiffen, was man in Rom am wenigften gern entbehrt hätte. Aber
es muß Artur Kampf nachgefagt werden, daß er auch die Sezeffionen und die Lokal-
verbände zu Worte kommen ließ und daß unter allen ausgeftellten Werken nicht eines
ift, das künftlerifch der Kritik nicht ftand hielte. Das ift ein Verdienft, das nicht ver-
fchwiegen werden darf. — Freilich Fehler und Lücken gibt es auch hier zur Genüge.

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