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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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21. Heft
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Denkmalpflege
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Gesellschaften und Vereine
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DENKMALPFLEGE o GESELLSCHAFTEN UND VEREINE

Verfügung [teilt. Der Entwurf Baccanis hat
neben manchen Vorzügen den Fehler der meiften
monumentalen Neubauten in Florenz, einen hoch-
pathetifchen Stil, der [ich dem Stadtbilde nur
widerftrebend einfügt. Von großer Nüchtern-
heit ift dagegen der Entwurf des neuen Poft-
und Telegraphenpalaftes, der mit feiner
riefigen Maffe das gefamte Areal der Piazza
Davanzati und der angrenzenden Häuferviertel
nach der Piazza Vittorio Emanuele zu bedecken
wird. Der größte Teil diefer Häufer war fchon
in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhun-
hunderts zerftört worden und nur fpärliche
Fragmente gemalter Dekorationen und des pla-
ftifdien Schmuckes diefer alten Florentiner Häufer
und Paläfte haben im zweiten Kreuzgang des
Klofters San Marco ein Äfyl gefunden. Mit
diefem Häuferviertel zwifchen Via Porta Roffa,
Via Degli Strozzi und Via Monalda ift ein
wahres Labyrinth von Gäßchen, kleinen Plänen
und Höfen vom Erdboden verfchwunden. Hier
häuften einft die Pelzhändler von Florenz, deren
Korporation feit dem Jahre 1266 zu den großen
Zünften gehörte und eine Menge der älteften
Florentiner Gefchlechter, darunter die Strozzi,
die Baroncelli, die Palmieri, die Benivieni, die
Spinelli, die Buonfignori und die Medici hatten
hier Häufer und Läden. Der bekannte Lokal-
forfdier Guido Carocci hat im Katafterarchiv
die Notiz gefunden, daß Pier Francesco, der
Sohn Lorenzos des Prächtigen, unter den vom
Vater ererbten Häufern auch eine Bottega im
Sdrucciolo di S. Michele verteuerte, „dove si
fa l’esercizio del vajaio“ und hat feftgeftellt,
daß diefes Haus einft das Gefchäftslokal des
reichften der Florentiner Bürger, des Cofimo
pater patriae gewefen ift. Hier lag auch der
ftolze Palaft, den die Cocchi-Compagni der
Kirche Or San Michele hinterließen und das
alte Haus der Davanzati mit feinen fchönen
Spi^bogenfenftern und Dekorationsmalereien.
Ein anderes Haus der Davanzati, in ähnlicher
Weife ausgeftattet und reich an dekorativen
Wandmalereien, ift dicht daneben noch erhalten
und dient je|t als Guardia Medica. Äußer
diefem ift nur noch der altehrwürdige Palaft der
Davizzi, den die Davanzati im Jahre 1578 er-
warben und der kürzlich durch den bekannten
Antiquar Elia Volpi ftilrein wiederhergeftellt
wurde, als Zeuge einer glorreichen Vergangen-
heit ftehen geblieben. Hier erhob fich bis zur
Zeit der Zerftörung des alten Zentrums der
Stadt die Kirche San Miniato tra le torri, die
mit herrlichen Altarbildern von Antonio del
Pollajuolo und Andrea del Caftagno (lefeteres
jefet im Kaifer Friedrich-Mufeum) gefchmückt war.

W.B.

MÄNSFELD Die Lutherkirche, die fich in
einem fehr fchlechten Bauzuftand befindet, foll
demnächft renoviert werden und zwar fo wie
ße zu Luthers Zeiten gewefen ift.

GESELLSCHAFTEN UND
VEREINE

BERLIN In der Sitzung der Kunftgefchicht-
lichen Gefellfchaft am 13. Oktober fprach Herr
Max J. Friedländer über Jan Goffart, gen.
Mabufe. Der Vortragende erläutert das Schaffen
des niederländifchen Renaiffancemeifters, an-
knüpfend an die Erwerbung der „Anbetung der
Könige“ durch die National Gallery, mit Hilfe
eines reichen Äbbildungsmaterials. Die in der
Ermitage zu Petersburg aufbewahrte, bisher dem
Barend van Orley zugewiefene Kreuzabnahme
wird von Friedländer für Jan Goffart in Än-
fpruch genommen, wie umgekehrt manche cha-
rakteriftifche Werke des van Orley unter dem
Namen Goffarts in den Katalogen figurieren (fiehe
hierüber die Arbeit des Vortragenden über B.
van Orley im Jahrbuch der Königl. preußifchen
Kunftfammlungen). Auf das berühmte Triptychon
des Mufeums zu Palermo, das auch nach Fried-
länder fraglos von Mabufe herrührt, fällt neues
Licht, da feine frühe Auswanderung nach Sizilien
(noch im 16. Jahrhundert) wahrfcheinlich gemacht
werden kann. Ein ftarker Einfluß der italieni-
fchen Meifter auf den niederländifchen Künftler
wird nicht zugegeben; das ausgeprägte Selbft-
bewußtfein Mabufes, feine frühreife virtuofe
Sicherheit in der Modellierungstechnik [teilten
ihn gegenüber der italienifchen Hochrenaiffance,
die ihm natürlich durch feinen italienifchen Auf-
enthalt wohl bekannt war, durchaus felbftändig.
Dagegen erweift [ich Mabufe mehrfach als ab-
hängig von Älbrecht Dürer, deffen Kupferftich
„Adam und Eva“ (B. 1) er in dem bekannten
Berliner Bilde „Neptun und Ämphitrite“ frei und
mit gefchickten Varianten nachahmt, während das
jefet von der National Gallery angekaufte Werk
feiner früheren Periode eine direkte Kopie nach
dem Nürnberger enthält, einen der berühmten
Windhunde aus dem hl. Euftachius (B. 57), den
der Niederländer fo gefchickt in das Gefamtbild
eingefügt hat, daß man ohne Kenntnis des Vor-
bildes niemals auf den Gedanken kommen
könnte, es hier mit einem nicht originalen Ele-
mente der Kompofition zu tun zu haben. — In
der [ich anfchließenden Diskuffion bemerkt Herr
Wulff, daß ihm der ftarke Äbftand zwifchen
den früheren und fpäteren Werken Mabufes
doch ohne eine entfcheidende Einwirkung der
italienifchen Kunft nicht recht erklärlich fcheine;

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