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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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4. Heft
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Biermann, Georg: Die Konkurrenz zum Bismarck-Nationaldenkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0158

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DIE KONKURRENZ ZUM BISMÄRCK-NÄTIO-

NÄLDENKMÄL Von GEORG BIERMHNN

Selten hat die moderne Zeit eine Äufgabe
geftellt wie diefe: Dem deutfchen Recken
aus dem Sachfenwalde, der Erneuerer und
Vollender der Reichseinheit war, ein Monument
zu errichten, das weder die Zeichen des Geftern
und Heute, fondern diejenigen kommender Jahr-
hunderte weifen [oll, die, vollkommen losgelöft
von dem politifchen Streit der Gegenwart, die
Größe der durch Bismarck Tat gewordenen Idee
als ein hiftorifches Faktum betrachten werden,
wie es ähnlich die Gefchichte unferes Volkes
nicht dreimal erlebt hat.

Die künftlerifche Konkurrenz hat die beften
der wirkenden Kräfte im jungen Deutfchland
zum Wettftreit gerufen und das Refultat liegt
heute vor. Einmal in der Äusftellung der ein-
gegangenen Entwürfe, die die ftattliche Zahl
von 374 erreichten und dann in dem Schieds-
fpruch der Preisrichter, die fünf diefer Ärbeiten
der Krönung für würdig hielten. Zu beiden
Momenten der Konkurrenz ift hier rein fachlich
Stellung zu nehmen:

Das Ergebnis im großen ift durchaus zufrieden-
ftellend. Die deutfehe Kunft unferer Moderne
hat hier pofitive Ärbeit geleiftet, fich zum weit-
aus größten Teil der gegebenen Äufgabe ge-
wadifen gezeigt und die Idee fehr wohl ins
Künftlerifch-Monumentale zu überfein verban-
den. Die Hälfte aller ausgeftellten Entwürfe ift
zum mindeften ernfthafter Diskuffion wert und
das übrige, das fich zum Teil in traditionell miß-
verftandener Formenfprache ergeht, zum andern
aber in bombaftifch überladener Rhetorik dem
Symbolizismus (nicht tiefgründiger Symbolik)
verfiel, fcheidet als felbftverftändliche Begleit-
erfcheinung ohne weiteres aus. Diefe Ärbeiten
aber vermögen keineswegs dem großen Eindrude
Abbruch zu tun, den die Konkurrenz im ganzen
vermittelt. Die deutfehe moderne Kunft, die
über fo viele prominente Perfönlichkeiten ver-
fügt, denen wir längft nach den Jahren des
Kampfes und des Überganges einen neuen mo-
numentalen Stil verdanken, darf fich durchaus
mit dem Ergebnis fehen laffen, das diefe Kon-
kurrenz gezeitigt hat. Mag hier und dort auch
— und mitunter gerade bei den Beften — ein ver-
hängnisvolles Äbirren vom Wege zu konftatieren
fein, das Ergebnis als folches, das gewiffermaßen
eine unerhörte Kraftprobe auf das Können der
künftlerifchen Gegenwart ftellt, wird nicht nur
nicht enttäufchen, fondern fogar hoffnungsfroh
in die Zukunft weifen.

Anders freilich mit der Entfcheidung der Jury.
Über diefe ift ernftlich nicht einmal zu diskutieren,
fo fehr hat fie fehlgegriffen und das wahrhaft

Künftlerifche folcher Äufgabe verkannt. Gegen
diefes Urteil gilt nur der fchärffte Proteft —
nicht des Einzelnen, fondern des gefamten Volkes,
dem ein Bismarck-Nationaldenkmal eine nationale
Angelegenheit ift. Nicht, daß der Urteilsfpruch
in den einzelnen Refultaten enttäufcht, nein, das
Deprimierende dieses Ergebniffes ift die Armut
der künftlerifchen Intuition, das Sich-Feftlegen
auf die harmlos-konventionelle Linie, die mit
dem Wollen und dem Geifte unferer Zeit nicht
das Mindefte gemein hat und in ihren eklekti-
ziftifchen Verfuchen vor allem dem Geifte eines
Bismarck geradezu Hohn fpricht.

Wie folch ein Refultat im Kreife äfthetifch
hoch begabter und feinfühliger Kunftgelehrter
und mehr noch bei Künftlern perfönlichfter Be-
gabung möglich war, entzieht fich vorläufig der
Beurteilung, obgleich auch hier ohne weiteres
die pfychologifchen Zufammenhänge offenbar
werden können.

Da aber das Ergebnis als folches feftfteht und
mit ihm zugleich die Gefahr um das Schickfal
diefes Monumentes droht, fo muß man warnend
feine Stimme erheben, damit unfer künftlerifches
Empfinden in einer folchen Sache keinen Schaden
erleide!

Der Entwurf des fonft gefchäljten Münchener )c
Bildhauers Hermann Hahn zufammen mit dem
Architekten Beftelmeyer, die den erften Preis
erhielten, ift ein fchwächliches Surrogat wahr-
haft kraftvollen Empfindens, das fich zudem in
antikifcher Formenfprache erfchöpft. Ein Jung-
fiegfrid, der direkt der Werkftatt Verrocchios
entftiegen zu fein fcheint, das armfelige Symbol
deutfeher Linden, die ein griechifcher Säulen-
gang umzieht, was hat diefer Entwurf mit dem
fchöpferifchen willensftarken Geifte eines Bis-
marck zu tun!

Oder die erfte der mit einem zweiten Preife v
bedachten Ärbeiten, die den Kölner Architekten
Bran^ky zum Verfertiger hat, der immerhin der
imaginären Erfcheinung des Heros in dem Re-
lief des reitenden Fahnenträgers am mächtigen
Unterbau eines ebenfalls antikifierenden Rund-
tempels fchon näher gekommen ift, obwohl auch
hier alles mehr auf das Äußerliche des über-
krönenden Äbfchluffes als auf die eigentliche
Idee des Monumentes geftimmt erfcheint.

Noch weniger vermag der Entwurf des Archi-
tekten Alfred Fifcher und des Bildhauers Walter
Kniebe-Düffeldorf zu befriedigen, die ebenfalls
einen zweiten Preis erhielten: Ein dorifch formen-
ftrenger Säulentempel mit Spi^dach (welch eine
contradictio in adjecto!), der den Berg über-

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