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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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4. Heft
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Biermann, Georg: Die Konkurrenz zum Bismarck-Nationaldenkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0159

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DIE KONKURRENZ ZUM BISMARCK-NATIONALDENKMAL

krönt, und bei dem man vergeblich nach irgend
einer Beziehung zu Bismarck fucht.

Der erfte dritte Preis wiederum, der dem
Bildhauer Bernhard Blecker und dem Architekten
O. O. Kurz (beide in München) zuteil wurde,
[teilt [ich ganz auf die Idee des Hahn-Beftel-
meyerfchen Eklektizismus, nur daß er mit [einem
doppelten antikifierenden Säulenrundgang noch
erfindungsärmer wirkt, weil eine Beziehung zu
der Aufgabe nicht im entfernteren verfucht wurde.

Erft Richard Riemerschmid vermag unter den
Preisgekrönten (er erhielt ebenfalls einen dritten
Preis) wirklich ernft genommen zu werden.
Denn er fchuf im Sinne des Theoderich-Grab-
mals zu Ravenna einen Rundtempel von er-
habenen Formen mit machtvoll überragendem
Kuppeldach und in einer Sprache, die ur-
deutfchem Empfinden nahe kommt. Streng und
ernft ift diefer Bau, gewaltig und weihevoll zu-
gleich, in dem die Erinnerung eine Stätte der
Verehrung haben [oll, wo der Geift des Helden
wie die Ahnung der Gottheit umgeht. Aber
auch Riemerfchmid, ein wahrhaft großer Künftler,
erfaßte nicht ganz den Zufammenhang zwifchen
dem Monument und dem urtümlich deutfchen
Boden, auf dem es [ich erheben [oll. Dennoch,
follte eine der preisgekrönten Arbeiten wirklich
zur Ausführung kommen müffen, fo ftimme ich
für diefe, weil fie [ich halbwegs künftlerifch mit
der Idee des Gewaltigen, das einmal bei Bis-
marck latent ift, deckt.

Dies aber find die wahrhaft befchämenden
Refultate einer Preisverteilung, die [ich fo gar
nicht mit dem Künftlerifchen der geteilten Auf-
gabe deckt, und was in diefer national-deutfchen
Angelegenheit noch deplorabler wirkt — un-
geachtet aller Errungenfchaften unferer Zeit, das
hellenifch antikifierende Prinzip gekrönt hat.

Wie konnte nur ein Gedanke dem Empfinden
diefer Jury fo völlig entfchwinden, der eigent-
lich für jede Entfcheidung fundamental fein
mußte: Daß dies Monument am deutfchen Rhein
ftehen wird, der fymbolifch faft durch die Ge-
fchichte des deutfchen Volkes dahinraufcht, auf
deffen Bergen Burgen und Schlöffer in halb zer-
fallenen Ruinen in urtümlichen Formen ftehen,
deffen Städte die Bilder machtvoller Kirchen und
Dome, die der Wille des deutfchen Mittelalters
erfchuf, in den prächtigen Strom fpiegelnd hinab-
tauchen.

Wahrhaftig, diefer fundamentalen Seite der
Aufgabe, der die Beften der beteiligten Künftler
fogleich Rechnung trugen — wie es die Ar-
beiten eines Lederer, Schmiß, Meßner u. a. fo
deutlich dartun — ift das Preisrichterkollegium
auch nicht einen Augenblick lang nachgegangen,

wie überhaupt jede perfönliche Note bei diefer
Konkurrenz fofort beifeite gefchoben wurde.

An Urweltsdomen, die auf das Zeichen des
Unvergänglichen geaicht find, an titanifchen
Bergriefen, die, rein architektonifch gedeutet,
das Symbol des Recken an [ich tragen, fehlt es
bei diefer Konkurrenz nicht, und fo fcheint mir
das Symbolifche diefes Monumentes — denn
nur als folches kann es die Jahrhunderte über-
dauern — fünfzigmal bei diefer Konkurrenz
glücklich gelöft. Was Kreis, Meßner, Lederer,
Rank zufammen mit Erler und fo viele andere
gefchaffen, weift die Sehnfucht unferer Zeit, in
der das Bismarckfche Werk Vollendung wurde,
und jede diefer Arbeiten würde der Elifenhöhe
bei Bingen (die Plaßfrage als folche foll an
diefer Stelle nicht diskutiert werden) ein mo-
numentum aere perennius aufgedrückt haben,
wie es imponierender als Ausdruck unferes
Geiftes, der dem von Bismarck künftlerifch adä-
quat fein muß, nicht gedacht werden kann.

Die künftlerifche Tradition diefes Stückchens
deutfcher Erde, in der [ich, zuerft die Kunftge-
fchichte zu dem ihr eigenen nationalen Idiom
durchgerungen, gab die natürliche Vorausfeßung;
der Berg mit feiner überkrönenden Höhe, die
immerhin auf weite Fernen hinaus dank einem
folchen Monumente die Lande des Rheines
beherrfchen könnte, bot nicht weniger ein ent-
fcheidendes Moment dar, und der Gedanke an
Bismarck, den Heros der deutfchen Nation, der
das Werk der Einigung vollbrachte, mußte das
leßten Endes Entfcheidende für das rein Künft-
lerifche werden. Diefer Gedankengang ift viel
zu einfach und einleuchtend, als daß er über-
haupt der Diskuffion bedarf.

So fteht zurzeit das Refultat diefer Konkurrenz
in dem Kunftpalaft in Düffeldorf ausgeftellt.
374 Entwürfe, von denen ein jeder einen eigenen
Gedanken preisgibt. Das ift ein Ergebnis, das
der immanenten Schaffenskraft unferer Kunft alle
Ehre macht. Das ift ein Aufmarfch künftlerifcher
Kräfte, die zurzeit am Werke find, wie er im-
pofanter nie gefehen werden kann. Man mag
im einzelnen noch fo enttäufcht fein, und vor
allem das Refultat der Jury aufrichtig bedauern,
das Pofitive bleibt beftehen, und in dem Wollen
diefer Unfumme von geftaltender Intuition er-
lebt Bismarck das befte Zeugnis für die ihm ge-
zollte und im Herzen des deutfchen Volkes
lebendige Verehrung.

Kein Hermann Hahn, kein Branßky „e tutti
quanti“ haben uns die Idee von dem Geifte
diefes einen Großen und die Verehrung vor
feiner Tat nahegebracht, aber in dem, was un-
erkannt, nicht preisgekrönt, fonft in diefer
Düffeldorfer Ausftellung an die Öffentlichkeit

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