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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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4. Heft
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Biermann, Georg: Die Konkurrenz zum Bismarck-Nationaldenkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0160

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DIE KONKURRENZ ZUM BISMARCK-NATIONALDENKMAL

trat, zucken unheimliche Blitze wie Wotansgeift
über dem Rheintal, fuchten geftaltende Kräfte
das Symbol zu erhafchen, das bei diefem Denk-
mal Jahrtaufende überdauern kann. Diefe ge-
fchloffene Phalanx eigenwilliger deutfcher Künft-
lerkraft, die hier zu Worte gekommen ift, wirkt
wahrhaft ermutigend und mögen im einzelnen
noch lange nicht bei diefem oder jenem Ent-
wurf alle Vorausfeljungen erfüllt fein, im großen
hat die Konkurrenz offenfichtlich genug dutjend-
weife pofitive Refultate gezeitigt, deren man fich
aufrichtig freuen darf.

Welch eine Zeit hat künftlerifch überhaupt
einen ähnlichen Äufftieg erlebt wie die unfrige!
Muß immer wieder diefes Moment betont
werden, um dem Deutfchen endlich Ächtung
vor dem eigenen Können, dem eigenen Wollen
einzuimpfen. Sollte etwa eine Aufgabe wie die
hier gegebene an der Impotenz unferes Voll-
bringens fcheitern! Wahrhaftig nein! Das ift
das wirklich beruhigende Refultat, das wir für
unfere Zeit aus diefer Konkurrenz mit fort-
nehmen: Ein Bismarck - Nationaldenkmal am
deutfcheften aller Ströme kann fchon erftehen
im Sinne eines nie vergänglichen Symbols ger-
manifchen Geiftes. —

Nur muß fich das Volk feinem eigenen ge-
funden Inftinkt anvertrauen und auch diesmal
wieder reiten lernen, wie der Deutfche von anno
damals, den der greife Paladin in den Sattel
gefetjt. Dann wird diefe Jury, die fich fo kraft-
los auf derLinie des konventionellften zufammen-
fand, wie eine blaffe Schimäre um Mitternacht
in die Verfenkung hinabtauchen, dann wird man
den Mut haben, für ein Bismarck-Denkmal den
Entwurf zu wählen, der dem deutfchen Empfinden
und der Verehrunq des Helden am nächften
fteht.

Nachschrift. Soweit man es heute im großen
überblicken kann, hat bisher die gefamte urteilsfreie
Kunftkritik die Entfcheidung des Preisgerichtes
abgelehnt. Von hoher Stelle aus aber wurde bei
Eröffnung der Düffeldorfer Äusftellung kund-
gegeben, daß bis zum 1. Mai die Wahl des zur
Ausführung gelangenden Entwurfes unter den
preisgekrönten Arbeiten beftimmt werden müffe.
Das zwingt ohne weiteres zu der betrüblichen
Alternative: Entweder anzuerkennen, was im
künftlerifchen Sinne gefehlt wurde — oder aber
Mittel und Wege zu fuchen, diefe Konkurrenz auf
eine neue und unabhängige Bajis zu ftellen. Nach
dem Stande der Dinge ift der erfte Weg nicht
zu befchreiten, weil er dem nationalen Empfinden
widerfprechen würde. Bleibt alfo nur der letzt-
genannte. Für diefen find bereits Vorfchläge
gemacht worden, die — fo logifch fie auf der

einen Seite erfcheinen mögen, doch auch fchwere
Gefahren in fich bergen: Ein Appell an ein
Volksurteil bleibt in künftlerifchen Fragen ftets
ein Unding. Dagegen fcheint es wohl im Be-
reich des Möglichen zu liegen, daß das erfte
Urteil der Jury für fich beftehen bleibt und diefe
als unzweckmäßig erkannten Entwürfe bei einer
neuen Entfcheidung ausfcheiden. Daß anderer-
feits die deutfchen Großftädte zu einer neuen
Jury je einen felbftgewählten Delegierten ent-
fenden, und daß diefe jeljt — nachdem alle
fundamentalen künftlerifchen Forderungen durch
die öffentliche Diskuffion geklärt find — unter
den noch vorhandenen nicht preisgekrönten
Arbeiten drei beftimmen, die nach dem
Empfinden diefer Äbgefandten der Mehrheit
unferes Volkes der Ausführung wert erfcheinen.
Für diefe drei wären neue Preife feftzulegen,
und die engere Wahl mag dann entfcheiden,
was zur Ausführung kommen foll. Diefer Weg
erfcheint mir nach Sachlage des Gegebenen ge-
rechter und beffer als eine fchon vorgefchlagene
neue engere Konkurrenz, bei der im Grunde
wirklich Neues und Pofitives auch nicht zu er-
warten fteht.

* *

*

Es ift fehr wohl zu verftehen, wenn fich fpe-
ziell in den Kreifen der beteiligt gewefenen und
nichtbeteiligten Künftler über den Urteilsfpruch
der Jury eine ftarke Erregtheit bemerkbar macht.
Als Verfaffer diefer Zeilen zuerft feinen Ein-
druck über die Konkurrenz in einem Äuffalj der
„L. N. N.u dargelegt hatte, gingen ihm überall aus
Deutfchland teilweife von hervorragender Seite
Sympathiezufchriften zu, unter denen die eine
oder andere manche neue Gefichtspunkte zu der
Beurteilung der Dinge aufzuweifen vermochte.
Aus einer foldien brieflichen Äußerung an den
Verfaffer, die der Feder eines bekannten und
bedeutenden Berliner Bildhauers entftammt, mag
an diefer Stelle mit Erlaubnis des Künftlers ein
Paffus wörtlich mitgeteilt werden, der zum Ver-
ftändnis deffen, wie von der Mehrzahl aller
Künftler das urfprüngliche Preisausfchreiben auf-
gefaßt worden ift, äußerft wichtig fein dürfte.
Der betreffende Bildhauer fchreibt:

„In dem Preisausfchreiben, das für die Kon-
kurrierenden die einzige Richtfchnur abgab, war
ein Denkmal verlangt, das von allen Seiten
gut zu fehen fei. Dies verleitete ja direkt
zu einer großzügigen Äuffaffung. Der für die
Ausführung beftimmte Preis betrug 1800000 M.
(das Leipziger Völkerfchlachtdenkmal war feiner-
zeit mit 800000 M. ausgefchrieben, und was für
riefige Projekte waren damals fchon entworfen
worden). Wer alfo von den Konkurrierenden

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