Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

DOI Heft:
6. Heft
DOI Artikel:
Kreis, Wilhelm: Nochmals zur Bismarck-National-Denkmal-Konkurrenz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0247

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
NOCHMALS ZUR BISMÄRCK-NÄTIONÄLDENKMÄL-KONKURRENZ

gelöft in der Silhouette und entbehren deshalb
im Verhältnis zu ihrer Größe der entfprechenden
Wucht. Ganz niedrige Mauern aber werden
immer den Eindruck einer Bergbefeftigung her-
vorrufen und werden immer mit folchen ver-
wechselt werden. Daß folche Bergbefeftigungen
mit niedrigen Mauern außerordentlich malerifch
und glücklich auf Bergen wirken können, ift ja
felbftverftändlich, und hierin wird gewiß jeder
Kundige dem Preisgericht recht geben, daß folche
Befeftigungen der Wirkung eines Berges fehr
zugute kommen können. Aber daraus ift natür-
lich nicht zu folgern, daß andere Aufbauten einem
Berge fchaden, und hierfür liefern alle jene
ftarken Silhouetten, welche die Kunft der Ver-
gangenheit auf den Bergen und Hügeln hervor-
brachte, den beften Beweis, wie fchon oben er-
wähnt.

Und fo wurde es auch mir bei je längerer Be-
trachtung der Sache immer klarer, daß nur eine
ftarke, aber nicht übermäßige Höhenentwicklung
bei ebenfo großer Breite einerfeits den Fehler
vermeidet, für eine Befeftigung gehalten zu
werden, andrerfeits den ebenfo großen Fehler
vermeidet, allzu lösgelöft von der Landfchaft —
etwa wie ein Ausfichtsturm oder eine mittel-
alterliche Warte — in der Luft zu ftehen.

In jahrelangem Suchen ift mir diefe Erkenntnis
bewußt geworden und was diefen Punkt an-
langt, fo kann mir das verhältnismäßig fehr
fchnell aufgeftellte Prinzip — auch des beften
Preisgerichts — nicht den geringften Eindruck
zu Ungunften diefer Überzeugung machen.

Betrachten wir nun näher daraufhin meinen
Entwurf „Fauft“.1

Er ift völlig architektonifch. Er ift ein Bau-
werk, kein Denkmal im Sinne überlieferter Art.
Er ftellt eine neue Art von Denkmal dar, indem
er als Gedächtnishalle geplant ift, die in ihrem
Innern das Denkmal enthält.

Diefe Wahl gefchah unter gründlicher Über-
legung der näheren Umftände. Einmal wegen
des Nationaldenkmals auf dem Niederwald.
Dort fteht ein Denkmal, das fidi ohne weiteres
als folches darftellt, wenn es auch heutzutage
nicht als eine glückliche Denkmalsanlage an-
gefehen werden kann. Irgend eine andere eben-
falls fich ohne weiteres als Denkmal in ähnlichem
Sinne darftellende Anlage gegenüber diefem
Denkmal, müßte eine Konkurrenz in peinlicher
Weife eröffnen. Dagegen ein reines Bauwerk,
welches durch feine fchlichte, ftarke Art fich fo-

1 Von einer bildlichen Wiedergabe dürfte an diefer
Stelle wohl abgEfehen werden, da der Kreisfche Entwurf
bereits an verfchiedenen Stellen publiziert worden ift.

Die Red.

fort aus dem Alltäglichen völlig erhebt zu einer
hehren, bedeutenden Art der Sprache feiner
Gliederungen, feiner Gefchloffenheit und Feftig-
keit, wird keine Konkurrenz fein, da die völlig
andere Wefensart eines folchen Kunftwerkes
keinen Vergleich zuläßt.

Dies ift einer der Gründe, welcher mich ver-
anlaßte, ein Innendenkmal zu wählen.

Ein weiterer Grund aber und ein nicht ge-
ringerer ift die Überzeugung, daß ein folches
weit ftärkere Wirkungen auszuüben vermag, als
ein Denkmal in der Natur. Durch keine Witte-
rung, durch keine Aussicht, durch keine Berg-
linien und die ganze Weite der Umgebung her-
vorgerufene Ablenkung beirrt, vermag der
Beschauer vor der gewaltigen Bismarckstatue
hier im Innern eines weihevollen Tempels fich
zu tieferer Betrachtung zu sammeln. Hier ver-
mag von einer gewaltigen und in ihrer künft-
lerifchen Art bedeutenden Bismarckstatue, welche
das Monumentalwerk neuerer Bildhauerkunft wer-
den müßte, eine Wirkung auf den Beschauer aus-
zugehen, die ihn in seinem Tiefften aufrüttelt
und einen unauslöfchlichen Eindruck in ihm hin-
terläßt, wie ihn kein Denkmal, das äußerlich
dafteht, hervorzubringen vermöchte. Allerdings
würde es keine kleine und leichte Aufgabe für
die Bildhauer Deutfchlands fein, hier die rechte
Statue für den Gewaltigen zu schaffen. Indeffen,
fo gut es einem Lederer in Hamburg gelungen
ift, ein ftehendes Bildnis von urgewaltiger Kraft
zu fchaffen, fo wird es irgend einem Bildhauer,
der in engerer oder weiterer Wahl wohl zu
finden wäre, gelingen, eine in gewaltiger Ruhe
dafitfende Geftalt des größten Staatsmannes
neuefter Zeit zu fchaffen. So könnte durch die
Vereinigung einer Bismarckgedächtnishalle, die
weithin durch die erhabene Art ihrer Geftaltung
imponierend und befreiend auf den Ankommen-
den wirkt und die die Landfchaft nicht totfehlägt,
aber sich in ihr voll in ihrer Würde und Größe
behauptet, die ihr die Krone auffetjt, weil fie in
ihrer Schönheit wohl der Mittelpunkt der wei-
teren Landfchaft und des ganzen Rheinlandes
werden darf, vereinigt mit einem Denkmal von
überwältigender Kraft und Feierlichkeit, ein wirk-
liches Bismarcknationaldenkmal in dem Sinne
werden, wie es das deutfehe Volk fehnfüchtig
von unferer Zeit erwartet.

Und fo ift es meine fefte Überzeugung, daß
dies die Löfung der großen Aufgabe ift, und
darin beftärkt mich die Tatfache, daß — ohne
voneinander zu wiffen — auch Lederer und
Bruno Schmiß zu derfelben Idee gekommen find,
die fie nur in anderer Form ausgefprochen
haben.

219
 
Annotationen