Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

DOI Heft:
10. Heft
DOI Artikel:
Der Kunstmarkt - Von den Auktionen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0433

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
STÄTTGEHÄBTE AUKTIONEN

raffige Bild eines „Lachenden Mädchen“ am
Kamin gehört. Unter den zahlreichen Wald-
[tudien, Interieurs und Landfchaften ragt vor
allem der bisher noch nicht abgebildete „Lan-
dungsfteg am Starnberger See“ durch feine fa-
mofe Vertiefung des Raumes in dem feinen,
abgetönten Grau hervor. Unter den fpäteren
Arbeiten find „In der Laube“, „Kind mit Hund“
und „Äbendmufik“ befonders zu erwähnen, die
Markfteine des Impreffionismus in Deutfchland
find. Die Lifte der im ganzen 40 Gemälde wird
durch einen in den lichteften Farben gehaltenen
„Engel im Atelier“, über welcher Arbeit der
Meifter ftarb, abgefchloffen. 94 Zeichnungen,
darunter einige ganz große Kompofitionsftudien,
laffen fowohl technifch wie künftlerifch einen
tiefen Blick in die Werkftätte eines großen
Künftlers tun. — Die Veräußerung der Gemälde
erfolgt am 1. Juni 1911 unter der Leitung von
Hugo Helbing in München. Der glänzend
ausgeftattete, forgfältig befchreibende Katalog
mit einem Vorworte von Dr. Georg Lill und
einem Porträt des Künftlers nach der letzten
Aufnahme, fowie 27 Abbildungen auf 22 Tafeln,
wird eine dauernde Erinnerung von bleibendem

Werte bilden. * *

*

Die von uns bereits in Heft 8 ausführlich ge-
würdigte Sammlung J. Boffard-Luzern kommt,
wie bereits mitgeteilt, am 22. Mai und den fol-
genden Tagen in der Galerie Helbing zur Ver-
weigerung. Dr. Ernft Baffermann-Jordan hat den
Katalog, der 771 Nummern umfaßt und 40 Licht-
drucktafeln bringt, mit einem kurzen Vorwort
verfehen, in dem er auf den Wert der Kollektion
hinweift.

PÄRIS In der Galerie Georges Petit zu
Paris wird am 29. und 30. Mai durch Lair-
Dubreuil und Baudoin die Galerie des drama-
tifchen Pierre Decourcelle verfteigert werden:
Gemälde, Zeichnungen, Miniaturen, Skulpturen,
Möbel und Kleinkunft des 18. Jahrhunderts. Die
fchönften Stücke diefer bedeutenden Galerie find
ein großes Stilleben: Eine Katje Auftern fteh-
lend, von Chardin, in einem herrlichen, alten
Schniljrahmen; Delaroche, das Porträt des Mar-
quis de Paftoret; Fragonard, ein bemalter Pa-
ravant, ein Frauenbildnis; ferner ein fchöner
Guardi: der Markusplatj; eine gute Landfchaft
von van Goyen; außerdem eine Reihe köftlicher
Bilder von Hubert Robert, Bonington, Conftable,
Danloux, David, Lebrun, Morland ufw. find in
diefer Sammlung ebenfalls gut vertreten. Unter
den Aquarellen, Zeichnungen, Paftellen und
Gouachen finden fich fehr hervorragende Stücke
faft aller großen Künftler aus dem 18. Jahrhun-

dert, vor allem Boucher, Fragonard, Greuze,
Guardi, Moreau, Perroneau, Rofalba Carriera
ufw. Eine befondere Stärke diefer Galerie liegt
in der franzöfifchen Plaftik. Vor allem find
Clodion, Coyfevox, Houdon, Lemoyne und Pajou
mit Hauptwerken vertreten. Pierre Decourcelles
Galerie ift in Liebhaberkreifen feit langem be-
kannt genug, fo daß es fich erübrigt, noch aus-
führlicher auf diefe bedeutende Sammlung hin-
zuweifen, die unter den Privatgalerien, die fich
aus Werken des 18. Jahrhunderts zufammenfeßen,
mit an erfter Stelle genannt zu werden verdient.
Für deutfche Mufeen, die arm find an franzö-
fifcher Plaftik diefer Zeit und die keinen Chardin
und keinen Guardi befrßen, ift hier eine gute
Gelegenheit, fich zu bereichern. 0. G.

Stattgehabte Auktionen

DIE ÄBDY-ÄUKTION

Am 5. Mai begab fich bei Chriftie das
Wunder, daß eine faft völlig unbekannte Samm-
lung alter Meifter, vornehmlich der italieni-
fchen Schule, um die große Summe von faft
£ 70 000 verfteigert wurde. Eine ganze Reihe
unbefchriebener, in derKunftliteratur unerwähnter
Bilder tauchten feit vielen Jahren erftmals wieder
auf. Dem verftorbenen Sir William Neville Abdy
war — freilich vor längeren Jahren fchon — das
ftets erfehnte Glück der eifrigften Sammler zu-
teil geworden, ganz im Stillen auf eigene Fauft
an Ort und Stelle, meift in Florenz, feine Schäle
zufammenzubringen, fie aufzuftellen und fie allein
zu genießen. Kaum ein paar Kenner wußten,
daß der Baronet einige alte wertvolle Bilder
bejaße, einige wenige — vier im ganzen —
wurden einmal zu einer oder der anderen Alt-
meifterausftellung hergeliehen. Im übrigen aber
erfreute fich der alte Herr feiner Bilder ganz im
geheimen.

Daß nun aber die Auktion felber auch fo ge-
heimnisvoll vor fich gegangen ift, daß ganze
vierzehn Tage vorher nur eine kurze Notiz in
der „Morning Poft“ erfchien, und man dann
erft wenige Tage vor der tatfächlichen Auktion
etwas näheres über die Sammlung erfahren
konnte, daß diefelbe, troßdem fämtliche Wände
bei Chriftie fchon vorher frei waren, erft drei
Tage vor dem Verkauf zur Befichtigung aus-
geftellt wurde, fo daß es auswärtigen Kunft-
kennern kaum mehr möglich war, diefe feltenften
Schäle vor ihrer Zerftreuung nach allen Him-
melsrichtungen hin zu befichtigen, all das war
wohl nicht nach demWunfche des Verftorbenen.
Man muß es offen ausfprechen, daß hier Meffrs.
Chriftie vielleicht im eignen Intereffe und dem
der faft unter fich gebliebenen Londoner Händler

Der Cicerone, III. Jahrg., 10. Heft. 31

399
 
Annotationen