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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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10. Heft
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Der Kunstmarkt - Von den Auktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0434

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STÄTTGEHABTE AUKTIONEN

und möglicherweife einiger anderer Klienten ge-
handelt haben, kaum aber in dem der Erben
und ficher nicht in dem der ge|amten Kunft-
kenner und -freunde. Viele diefer Bilder waren
gerade folche, die manche empfindliche Lücke
in der und jener öffentlichen Galerie ausgefülit
hätten. Es fcheint, als habe man die vermie-
denen Direktoren von diefer Auktion nicht in
Kenntnis gefegt, ficherlich hat man nichts dazu
getan, die Fachpreffe (auch nicht die Tagespreffe)
auf diefe einzigartige Auktion rechtzeitig auf-
merkfam zu machen. Ja das gerade Gegenteil
ift der Fall gewefen. Man hat, wie fo manches
Mal fchon, mit großem Fleiß die Geheimnis-
krämerei betrieben. So ift es gekommen, daß
von diefer fo wichtigen Verweigerung keine
rechtzeitige Vornotiz erfcheinen konnte. Ein
allgemeiner Proteft der Öffentlichkeit wäre wohl
das einzige, das hier helfen könnte.

Abdy hatte feine Schäße zu einer Zeit ge-
fammelt, als die Quattrocentiften noch nicht
in Mode gekommen waren. Daher fchreiben
fich die zum Teil gewaltigen Gewinne her, die
die meiften Werke jeßt gebracht haben. Abdy
felber hatte feinerzeit den damaligen Markt-
preis gezahlt. Er muß ein feines Auge, eigenen
Gefchmack und große Fachkenntnis befeffen
haben, um diefe Kollektion zufammenzubringen.
Das Hauptftück der Sammlung war eine Pieta
auf Holz (27X333/4 inches im Umfang) von fel-
tener Schönheit. Im Mittelpunkt des Bildes
ruht der Leichnam Chrifti auf einem zertrüm-
merten weißen Thron; rechts fißt der Heilige
Hieronymus, von verwildertem Ausfehen mit
Buch, Rofenkranz und Löwen neben fich; ihm
gegenüber fißt Jefaias, von gleichem Ausfehen,
auf einem zerbrochenen Grabftein, neben dem
Knochen und Totenköpfe liegen. Im Hinter-
grund tötet ein Leopard einen Hirfch; Reiter
und Fußgänger führen das Auge des Befchauers
zu einem See und weiter zu bewaldeten Hügeln
und Felfenhöhen, auf denen fich ein Schloß er-
hebt. Auf dem Grabftein, auf dem Jefaias fißt,
ift ein cartellino angebracht, auf dem zu lefen

fteht: „Andreas Mantinea“. Unter diefem Na-
men war das Bild auch 1881 im Burlington
Houfe ausgeftellt gewefen. Es wurde dann troß
diefer Signatur Vittore Carpaccio zugefchrieben,
hauptfächlich weil die „Grablegung Chrifti“ im
Kaifer Friedrich-Mufeum zu Berlin eine ähnliche
Infchrift trägt und doch von Kennern dem Car-
paccio zugewiefen wird. Hiefige Spezialkenner
aber halten das Bild für eines des Paduaner
Meifters und zwar aus feiner Frühzeit. Es weift
die Mantegna eigentümliche Modellierung auf,
dazu die bronzeartige Farbe der Schule Squar-
ciones, und verrät auch deutlich den Einfluß
Donatellos, wiewohl offenbar auch Einflüffe von
Jacopo Bellini her nachzuweifen find. Diefes
Bild trug 12 300 gs (Sulley & Co.) ein, den
höchften je in einer englifchen Auktion für ein
altitalienifches Bild gezahlten Preis.

Das zweite Hauptftück der Sammlung war eine
Holztafel von Botticelli. Es ift die vierte der
vier das Leben des heiligen Zenobius darftellen-
den Tafeln. Zwei von diefen gehören der der
National Gallery im vergangenen Jahre vermach-
ten Mondfammlung an; die dritte befindet fich
in der Dresdner Galerie. Die Abdytafel zeigt
vor einem Florentiner Haufe rechts den Heiligen,
wie er eine kranke Frau fegnet, in der Mitte
die geftorbene Frau und links diefelbe Frau
durch Zenobius zum Leben erweckt. Das Bild
ift vortrefflich erhalten und in Gruppierung und
dramatifchem Ausdruck ganz vorzüglich. Mr.
Langton Douglas erftand es um 10 800 gs. Ein
zweites dem Botticelli zugefchriebenes, aber wohl
dem Filippino Lippi gehöriges Bild, „Geburt
Chrifti“ in Tempera brachte es auf 1950 gs.

Im folgenden feien nun die Hauptftücke der
Sammlung in überfichtlicher Reihenfolge nach der
Preishöhe geordnet angeführt. Die in der
Lifte mit angegebenen, einft von Abdy gezahlten
Preife find dem „Daily Telegraph“ entnommen,
deffen Vertreter fie, wie er berichtet, von dem
Kunfthändler Mr. Albert Amor erfuhr. Abdy
hatte nämlich feine Sammlung eine Zeitlang in
Mr. Amors Verwahrung gegeben.

Maler

Name des Gemäldes

Preis

An-

kaufs-

preis

Käufer

Be-

merkungen

Andrea Mantegna
(dem V. Carpaccio zu-
gefchrieben)

Pieta 27x33;3/4 inches

Guineen

12 300

Guineen

1500

Sulley & Co.


Sandro Botticelli

Szenen aus dem Leben des heiligen
Zenobius

10 800

300

Langton

Douglas


Andrea da Solaria

Porträt des Giovanni Bentivoglio

4000

800

Dowdeswell

einft Francia
zugefchrieben

400
 
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