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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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14. Heft
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Biermann, Georg: Die Leipziger Jahresausstellung in Verbindung mit dem Deutschen Künstlerbunde, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0588

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DIE LEIPZIGER JAHRESAUSSTELLUNG MIT DEM DEUTSCHEN KÜNSTLERBUNDE

Fifcher (München) eine nicht minder begabte Kollegin zur Seite, die die Münchener Landfchafts-
tradition der alten Schule durch neue, an der Natur genährte Impul Je [ehr wohl zu bereichern und
zu vertiefen weiß. — Ida Gerhardi-Lüdenfcheid muß als Dritte im Bunde diefer weiblichen
Koryphäen mit dem Porträt eines japanifchen Prinzen ebenfalls notiert werden und man könnte
gleichfalls noch die begabte Hanna Gerfon-Florenz anfchließen, wenn die Äusftellung nicht bei
folcher Aufzählung in den Verdacht kommen müßte, gar zu chevaleresk der edlen Weiblichkeit
Einlaß gewährt zu haben. Daß dies in der Tat der Fall, gereicht ihr nicht zum Schaden, im
Gegenteil, ich empfehle allen Theoretikern, die das Problem „Die Frau und die Kunft“ fogar der
Druckerfchwärze anvertrauten, nachdrücklich den Befuch gerade diefer Kunftfchau, weil fie vielleicht
dann eines Befferen belehrt werden. Auf Guftav Gwozdecki-Paris, der ein Blumenftilleben
eingefandt, möchte ich hinweifen, ebenfo auf Franz Heckendorf-Stegliß, deffen „Strandleben“
einen famofen Beweis feines impreffioniftifchen Könnens erbringt. Werner Hickmann-Lange-
brück ift ein ebenfalls noch unbeschriebenes Blatt, ähnlich wie Franz Jäger-Raspenau, die beide
wert find, befonders vermerkt zu werden. Frida K n i e p - Stettin hat etwas von der Art der
alten holländijchen Landfehaftsmaler, fie gibt in einer fein preziöfen Art eine Mühle im Feld, der
man künftlerifche Qualitäten nachrühmen darf. Wilhelm Laage ift kein Unbekannter mehr, er
überrafchte vor Jahren durch feine farbigen Radierungen und zeigt fich in Leipzig auch als Maler
von einer hervorragenden Seite. Ida Macdonald ift eine ungewöhnlich begabte Malerin, die
in Leipzig ihren Siß hat. Otto Möller und Paul Päfchke, beide Berliner, verfprechen Zu-
kunftswerte; ähnlich wie Heia Peters-Leipzig, die in den leßten Jahren erftaunliche Fortfehritte
gemacht hat und fpeziell auf graphifchem Gebiet ihr weibliches Temperament in einer höchft an-
fprechenden Form erfchöpft. Nehmen wir zum Schluß noch Georg Tappert hinzu, der völlig
neuen Wegen folgt und heute faft fchon zu den Expreffioniften zählt, dann ergibt fich im Ganzen
ein Bukett zukunftsverheißender Blumen, die wir als pofitiven Gewinn von diefer Äusftellung mit
fortnehmen. Neu für den Fernerftehenden ift aber vor allem auch die Leipziger Kunft felbft, deren
jüngere Repräfentanten zum Teil fchon genannt wurden. Auch fie darf fich mit fchönem Bewußt-
fein fehen laffen in einem nicht befcheidenen Milieu deutfeher Malerei, dem fie alle Ehre macht. Sie
hat fich zum erftenmal in einem ihr würdigen Rahmen Geltung vor der Öffentlichkeit verfchafft.
Und wenn fie diesmal den Mut fand, ein Unternehmen von einer nicht abzufchäßenden kulturellen
Bedeutung (wenn es —was wir hoffen und wünfehen — in der Folge regelmäßig wiederkehrt)
in die Wege zu leiten, fo foll fie auch ein erftmaliger Mißerfolg nicht enttäuschen. Denn der
künftlerifche Boden, auf dem diefe Kunft erwuchs, ift noch wenig fruchtbringend. Hier wertet
felbft der reiche Bürger noch nicht den Befiß an originalen Werken und zu dem übrigen Wohl-
ftand fteht hier gar zu oft die Intereffelofigkeit an den bildenden Künften und der mangelnde Ge-
fchmack in geradezu erfchreckendem Gegenfaß. Solange die Erziehung diefem Grundübel, an dem
jede lokale Kunftpflege in Leipzig krankt, nicht beizukommen vermag, werden auch all die Tüch-
tigen wie Horft-Schulze, Steiner-Prag, O. R. Boffert, Alois Kolb, F. Rentfch, Grüner und Leiftner in
Leipzig fo gut wie vergeblich fchaffen und immer wieder in erfter Linie auf die Anerkennung von
auswärts angewiefen fein. Diefem Grundübel zu begegnen, fcheint nichts fo wertvoll wie eine
jährlich wiederkehrende Äusftellung diefer Art, die mit Gefchmack und weit begrenztem Gewiffen
auch heterogene Erfcheinungen zu Worte kommen läßt.

Unter den jüngeren Künftlern, die durch Zeichnungen und Radierungen vertreten find, ift
Heinrich Dörffel-Leipzig als eine vielverfprechende Begabung zu nennen, neben ihm etwa
noch fein Landsmann Hans Soltmann.

Die Plaftik erheifchte vielleicht noch eine längere Diskuffion, weil hier u. a. Kling er mit zwei
Porträtbüften und einer neuen Marmorgruppe auftritt, die nicht zu dem Beften gehört, was er
bisher gefchaffen. Auch Molitor verdient Beachtung und vor allem Max Lange, der begabte
Leipziger Bildner, der mit einer famos modellierten Porträtbüfte hervortritt. Hermann Hahn
und Friß Klimfch find da und Erich Stephani-Berlin ift vielleicht außerdem noch der einzige,
der einen wirklich befreienden Hauch in das immer ftereotyper werdende bildnerifche Schaffen
unferer Tage — fo wie es die Äusftellung umfehreibt — hineinträgt.

Eine kleine Architektur-Abteilung läßt endlich die Beftrebungen auf lokalem Gebiete viel-
verheißend zu Worte kommen. Ich nenne als wichtigfte Repräfentanten R. Brachmann, Hans
Böhme (der folide Einfachheit in gefchmackvoller Form betätigt), Hugo Licht, den Erbauer des
neuen Rathaufes und Julius Zeifig.

Genug der reizvollen Dinge, die diefe Veranftaltung in einem deutfehen Äusftellungsfommer
zu einer der intereffanteften und lehrreichften Erfcheinungen ftempelt. Georg Biermann.

Der Cicerone, III. Jahrg., 14. Heft. 42

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