DAS NEUE HESSISCHE LANDESMUSEUM ZU KASSEL
Es war dies zwar immer noch die Privat-
fammlung des Landgrafen, aber fchon in
befchränktem Maße dem Publikum zugäng-
lich, und es wurde infofern auf das Publi-
kum Rückficht genommen, das namentlich
aus „Fremden vornehmen Standes“ beftand,
indem man die Gegenfätje mit der unver-
kennbaren Abficht wählte und aufftellte,
durch Koftbarkeit oder Kuriofität in Erftaunen
zu feßen. In dem Landgraf Friedrich II.
gewidmeten „Verfuch einer genauen und
umbftändlichen Befchreybung der hochfürft-
lidien Refidenz und Hauptftadt Caffel“ heißt
es p. 134 vom Kunfthaus: „Es befindet [ich
dafelbft ein ungemeiner Vorrat fowohl na-
türlicher wie künftlerifcher Seltenheiten und
Schilderungen, Bildhauerarbeiten, Münzen,
Altertümer, auch mathematifcher und phy-
fikalifcher Raritäten, welche in befonderen
Zimmern und Schränken in befter Ordnung
gehalten werden.“
Nur 80 Jahre beherbergte diefes Kunft-
und Modellhaus die landgräflichen Samm-
lungen.
Nachdem fich das Heffenland unter
Friedrichs II. landesväterlicher Fürforge von
den Wunden des Siebenjährigen Krieges
erholt hatte, fudite diefer weitblickende Fürft
durch eine Reihe glänzender Stiftungen die
Kultur feines Landes zu heben. Nach dem
Beifpiel des 1753 als erftes großes öffent-
liches Mufeum eingeweihten Britifchen Mu-
feums ließ er von feinem Hofarchitekten Simon du Ry den Prachtbau des nach ihm be-
nannten Mufeum Fridericianum errichten. Das Kunfthaus wurde ausgeräumt und zu
anderen Zwecken verwendet, erft 1874 kam der naturhiftorifche Teil der Sammlungen
in die alten Räume zurück, wo er fich noch heute befindet.
Aus dem Willen des Landgrafen, fein Volk zum Bewundern des Edlen und Schönen
zu leiten, war der Gedanke diefer großartigen Mufeumsfchöpfung geboren worden.
Aus dem Raritätenkabinett wurde die Kunftfammlung! Das menfchliche Bedürfnis nach
Schönheit und den veredelnden Einfluß der Schönheit auf den Menfchen erkennend,
vermehrte Friedrich II. die Sammlungen des Kunfthaufes um eine Reihe antiker Skulp-
turen, die ihm zu diefem Zweck vor allem dienlich erfchienen. Gelegentlich einer Reife
nach Rom und Neapel erwarb er, beraten von dem in der italienifchen Reife Goethes
fo oft genannten Rat Reiffenftein, von dem fchottifchen Maler Jenkins und dem Kunft-
händler David Hamilton, eine ftattliche Reihe qualitativ durchweg hochftehender Skulp-
turen. Schon 1687 waren durch heffifche Soldaten, die im Dienfte der Republik Venedig
unter Morofinis Führung in Griechenland fochten, einige attifche Reliefs in die Kunft-
Apollon. Antike Kopie nadi einer attifdien
Statue aus der Zeit um 450
437
Es war dies zwar immer noch die Privat-
fammlung des Landgrafen, aber fchon in
befchränktem Maße dem Publikum zugäng-
lich, und es wurde infofern auf das Publi-
kum Rückficht genommen, das namentlich
aus „Fremden vornehmen Standes“ beftand,
indem man die Gegenfätje mit der unver-
kennbaren Abficht wählte und aufftellte,
durch Koftbarkeit oder Kuriofität in Erftaunen
zu feßen. In dem Landgraf Friedrich II.
gewidmeten „Verfuch einer genauen und
umbftändlichen Befchreybung der hochfürft-
lidien Refidenz und Hauptftadt Caffel“ heißt
es p. 134 vom Kunfthaus: „Es befindet [ich
dafelbft ein ungemeiner Vorrat fowohl na-
türlicher wie künftlerifcher Seltenheiten und
Schilderungen, Bildhauerarbeiten, Münzen,
Altertümer, auch mathematifcher und phy-
fikalifcher Raritäten, welche in befonderen
Zimmern und Schränken in befter Ordnung
gehalten werden.“
Nur 80 Jahre beherbergte diefes Kunft-
und Modellhaus die landgräflichen Samm-
lungen.
Nachdem fich das Heffenland unter
Friedrichs II. landesväterlicher Fürforge von
den Wunden des Siebenjährigen Krieges
erholt hatte, fudite diefer weitblickende Fürft
durch eine Reihe glänzender Stiftungen die
Kultur feines Landes zu heben. Nach dem
Beifpiel des 1753 als erftes großes öffent-
liches Mufeum eingeweihten Britifchen Mu-
feums ließ er von feinem Hofarchitekten Simon du Ry den Prachtbau des nach ihm be-
nannten Mufeum Fridericianum errichten. Das Kunfthaus wurde ausgeräumt und zu
anderen Zwecken verwendet, erft 1874 kam der naturhiftorifche Teil der Sammlungen
in die alten Räume zurück, wo er fich noch heute befindet.
Aus dem Willen des Landgrafen, fein Volk zum Bewundern des Edlen und Schönen
zu leiten, war der Gedanke diefer großartigen Mufeumsfchöpfung geboren worden.
Aus dem Raritätenkabinett wurde die Kunftfammlung! Das menfchliche Bedürfnis nach
Schönheit und den veredelnden Einfluß der Schönheit auf den Menfchen erkennend,
vermehrte Friedrich II. die Sammlungen des Kunfthaufes um eine Reihe antiker Skulp-
turen, die ihm zu diefem Zweck vor allem dienlich erfchienen. Gelegentlich einer Reife
nach Rom und Neapel erwarb er, beraten von dem in der italienifchen Reife Goethes
fo oft genannten Rat Reiffenftein, von dem fchottifchen Maler Jenkins und dem Kunft-
händler David Hamilton, eine ftattliche Reihe qualitativ durchweg hochftehender Skulp-
turen. Schon 1687 waren durch heffifche Soldaten, die im Dienfte der Republik Venedig
unter Morofinis Führung in Griechenland fochten, einige attifche Reliefs in die Kunft-
Apollon. Antike Kopie nadi einer attifdien
Statue aus der Zeit um 450
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