Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0468
DOI Heft:
12. Heft
DOI Artikel:Berrer, Julius Wolfgang: Das neue hessische Landesmuseum zu Kassel
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DAS NEUE HESSISCHE LANDESMUSEUM ZU KASSEL
Bronzelöwe von einem Zimmerbrunnen. Ägypten. 10.—11. Jahrhundert
kammer gekommen, und Landgraf Carl hatte von feiner Romfahrt Bronzen und Gem-
men mitgebracht. Doch die antike Großplaftik, die auf ein großes Publikum am un-
mittelbarften zu wirken imftande ift, kam erft durch Landgraf Friedrich II. nach Heffen.
Wie gefagt, fcheinen es nicht archäologifche Intereffen in erfter Linie gewefen zu
fein, die den Landgrafen bei diefem Erwerb beftimmten, nicht das „Was“, fondern
das „Wie“ follte an den Werken intereffieren, die edle Einfalt und fchlichte Größe der
früheren Stücke, der kühne Schwung, die geiftvolle Linie, gebunden durch die Gefeße
der Plaftik in den Werken der Blütezeit, das geniale, virtuofe Können in denen der
Spätzeit. Die Bearbeitung und Erläuterung der Antiken hatte fich die in den Räumen
des Mufeums tagende Gefellchaft für Altertumsforfcher zur vornehmften Aufgabe ge-
macht. Die erfte Preisaufgabe, die die Gefellfchaft ftellte, war bezeichnenderweife ein
Elogium auf Winckelmann, und Herder befand fich unter den Preisbewerbern.
Aus feiner Schatzkammer überwies Friedrich II. dem Mufeum eine Fülle koftbarer
Goldfchmiedearbeiten und Kleinodien, die fich feit alters dort angefammelt hatten. Sie
gliederten fich den Beftänden an gefaßten und gefchnittenen Halbedelfteinen, an Elfen-
bein- und Bernfteinfchnitjereien, an Gläfern und oftafiatifcher Keramik an, die fchon
im Kunfthaufe eine Zierde der Sammlungen gebildet hatten.
Dies war der Höhepunkt, die Glanzzeit des alten Mufeum Fridericianum. Die
ftreng logifche Weiterentwicklung des Mufeums in der Richtung, die ihm fein Gründer
Friedrich II. gewiefen hatte, hätte zu dem idealen „Mufeum fchöner Dinge“ geführt,
wie es als öffentliche Sammlung in fo hohem Maße v. Trenckwald im Frankfurter
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Bronzelöwe von einem Zimmerbrunnen. Ägypten. 10.—11. Jahrhundert
kammer gekommen, und Landgraf Carl hatte von feiner Romfahrt Bronzen und Gem-
men mitgebracht. Doch die antike Großplaftik, die auf ein großes Publikum am un-
mittelbarften zu wirken imftande ift, kam erft durch Landgraf Friedrich II. nach Heffen.
Wie gefagt, fcheinen es nicht archäologifche Intereffen in erfter Linie gewefen zu
fein, die den Landgrafen bei diefem Erwerb beftimmten, nicht das „Was“, fondern
das „Wie“ follte an den Werken intereffieren, die edle Einfalt und fchlichte Größe der
früheren Stücke, der kühne Schwung, die geiftvolle Linie, gebunden durch die Gefeße
der Plaftik in den Werken der Blütezeit, das geniale, virtuofe Können in denen der
Spätzeit. Die Bearbeitung und Erläuterung der Antiken hatte fich die in den Räumen
des Mufeums tagende Gefellchaft für Altertumsforfcher zur vornehmften Aufgabe ge-
macht. Die erfte Preisaufgabe, die die Gefellfchaft ftellte, war bezeichnenderweife ein
Elogium auf Winckelmann, und Herder befand fich unter den Preisbewerbern.
Aus feiner Schatzkammer überwies Friedrich II. dem Mufeum eine Fülle koftbarer
Goldfchmiedearbeiten und Kleinodien, die fich feit alters dort angefammelt hatten. Sie
gliederten fich den Beftänden an gefaßten und gefchnittenen Halbedelfteinen, an Elfen-
bein- und Bernfteinfchnitjereien, an Gläfern und oftafiatifcher Keramik an, die fchon
im Kunfthaufe eine Zierde der Sammlungen gebildet hatten.
Dies war der Höhepunkt, die Glanzzeit des alten Mufeum Fridericianum. Die
ftreng logifche Weiterentwicklung des Mufeums in der Richtung, die ihm fein Gründer
Friedrich II. gewiefen hatte, hätte zu dem idealen „Mufeum fchöner Dinge“ geführt,
wie es als öffentliche Sammlung in fo hohem Maße v. Trenckwald im Frankfurter
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