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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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9. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0363

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SAMMLUNGEN ° AUSSTELLUNGEN

erwerbungen des Jahres 1912 (f. Cicerone Jahrg.
1913, S.298) [ich auf das 19.Jahrhundert befchränkt
hatten, erftreckte fidi diesmal die von reichem
Erfolg gekrönte Sammeltätigkeit des Vereines
„im Sinne des erweiterten Wirkungskreifes der
ftaatlichen Sammlung“ auch auf frühere Zeiten.

So erwarb der Verein aus eigenen Mitteln
zwei Werke, die auf dem durdi fie vertretenen
Kunftgebiete eine glückliche Bereicherung des
ftaatlichen Kunftbeßßes darftellen:

1. ein fpätgotifches Holzrelief, „die Ver-
kündigung Mariä“. Das über dem handwerklichen
Durchfchnitt ftehende Werk, das auf der Berliner
Verfteigerung der Sammlung Oertel erworben
wurde, gehört der Tiroler Schule an und ift
nach D. zwifdien 1470—1480 anzufeßen;

2. eine überaus reizvolle Skizze des kur-
fürftlich-bayerifchen Hofmalers Chriftlan Wink
für das Deckengemälde des oberöfterreichifchen
Schloffes Zell, das eine ailegorifche Verherr-
lichung der Freuden des Landlebens darfteilt.
Der Freskenfchmuck des genannten Schloffes
entftammt nach Feulner (Chriftian Wink [1738
bis 1797], München 1912) der reifften Zeit des
Künftlers, den Jahren 1771 und 1772. — Endlich
ift der tatkräftigen Mitwirkung des Vereines
(durch eine Widmung von 25000 K.) die für die
Äusgeftaltung der Staatsgalerie äußerft wichtige
Erwerbung eines Hauptwerkes von Ed. Manet
„Der Wandermufikant“ zu danken. Das um-
fangreiche Bild (190x270 cm), das in kompo-
fitioneller wie in koloriftifcher Beziehung einen
Höhepunkt im Schaffen des Künftlers darfteilt,
gehört feiner mittleren Zeit an und ift im Jahre
1862 entftanden. Die Würdigung der genannten
Werke durch Direktor Dörnhöffer, der auch
die vorhergehenden Angaben entnommen find,
fchließt mit dem ebenfo berechtigten wie drin-
genden Wunfche, der Galerie nunmehr „auch
noch ein ähnlich repräfentatives Werk aus Ma-
nets fpäteren Zeit zu fichern“.

Das neben feiner Sammeltätigkeit wichtigfte
Ziel des Vereines, die dauernde Unterbringung
des ftaatlichen Kunftbepßes, konnte infolge der
ungünftigen wirtfchaftlichen Verhältniffe des
Jahres 1913 nicht wefentlich gefördert werden;
doch befindet fich der Verein, deffen Mitglieder-
zahl auf 42 geftiegen ift, bekanntlich bereits im
Befiß einesGrundftückes, das, „fei es als Stand-
ort der Galerie, fei es als veräußerlich es Wert-
objekt, die Verwirklichung des Bauprojektes
gewiß fehr erleichtern wird“.

* *

*

Der Stadtrat hat dem K. K. MUSEUM FÜR
ÖSTERREICHISCHE VOLKSKUNDE, das ab 1915
vor der Gefahr der Obdachlofigkeit ftand (ßehe

Cicerone, Jahrg. 1913, Seite 880), nunmehr end-
gültig das gräflich Schönbornfche Palais in der
Jofefftadt überwiefen. r.

ÄUS STELLUNG EN

PARISER FRÜHJÄHRSÄUSSTEL-
LUNGEN Noch vor fünfzehn Jahren hatten
die Frühjahrsfalons der Societe nationale und
der Societe des artistes fran9ais eine relative
Bedeutung für das Kunftleben. Heute übergeht
fie jeder, der ernfte Kunftgenüffe fucht und die
fortfchreitende Entwicklung verfolgt. Nur das
offizielle und mondäne Paris, allen voran die
ftaatliche Änkaufskommiffion, Minifter und die
Vertreter von „tout Paris“ fehen immer noch
in diefen beiden, gealterten Inftitutionen die be-
deutendften Ereigniffe des franzößfchen Kunft-
lebens und preifen in den troftlofen Hallen diefer
Bildermagazine den Ruhm der franzöfifchen Kunft.
Ein Schaufpiel, das rührend und lächerlich zu-
gleich ift. Bemerkt denn niemand im offiziellen
Frankreich, daß ßch innerhalb der lebten 15 Jahre
auch in Paris allerhand geändert hat, daß, wenn
überhaupt von einem Ruhm der franzößfchen
Kunft gefprochen werden kann, er auf ganz
anderen Werken beruht, als fie jemals eine Jury
ins Grand Palais zuließ? Ob man aber auch
taufendmal diefe Binfenweisheiten ausfpricht, die
Franzofen beharren in ihrer Gleichgültigkeit in
kunftpolitifchen Fragen. Der leßte, deutfche Mu-
feumsbeamte, der befcheidenfte, deutfche Samm-
ler, der jüngfte deutfche Kunftfchriftfteller ift über
die franzöpfdie Kunftentwicklung unferer Zeit
beffer orientiert als alle franzößfchen Minifter
und Kunftpßeger zufammengenommen. Dabei
ift es feit einigen Jahren felbft für den Parifer
gar nicht mehr leicht, ßch auf dem Laufenden
zu erhalten. Früher waren das Grand Palais
und die rue Lafitte, die Künftlerftraße, die ein-
zigen Stätten, wo man fich unterrichtete. Heute
haben ßch die Kunfthändler durch alle Stadt-
viertel verteilt. Im leßten halben Jahr ift mo-
natlich ein neuer Kunftfalon eröffnet worden.
Das erftaunt nicht in einer Zeit, in der nicht
nur gute Bilder, fondern auch Bluff und Blague
vorzügliche Spekulationsobjekte geworden find.
Für Blague haben wenige Deutfche Verftändnis.
Kaum ein einziger Deutfcher kann fich vorftellen,
daß es ganz harmlos auftretende Menfchen geben
kann, die vorfäßlich Bilder malen, die keinen
Sinn haben, daß frifche, rotwangige, junge Fran-
zofen durch improvißerte und abfichtlich ver-
zerrte Tünchereien zu kunftäfthetifchen Akroba-
tenkunftftücken verleiten. Und wenn die Blague
taghell erwiefen wäre, würde der deutfche Ernß

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