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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft. 1
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Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0049

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DENKMALPFLEGE

PETER BEHRENS. Konkurrenzentwurf für das Kaifer Wilhelm-Volkshaus in
Lübeck 1913. Stiftung des Herrn Senator E. Poffehl für den Plaß vor dem Holftentor

DENKMALPFLEGE

DER ÄRCHITEKTURWETTBE-
WERB UM DÄS KAISER WIL-
HELM-VOLKSHÄUS IN LÜBECK

Ein hochherziger Träger hanfeatifcher Gefinnung,
der Lübecker Senator E. Poffehl, ftiftete
eine beträchtliche Summe für einen Monumen-
talbau zum Gedächtnis der deutfchen Einheits-
kämpfe 1813 und 1870: Den zeitgemäßen Typ
einer Volksuniverfität, die Bibliothek und Lefe-
räume, Vortragsfäle und Gemächer für eine
Kunftausftellung in fich vereinigt, foll das neue
Kaifer Wilhelm-Volkshaus darftellen. Als fein
Standort ward der große Plaß vor dem berühmten
Holftentor, weftlich der Innenftadt, gewählt. —
Urfprünglich wollte der Stifter, ein begeifterter
Verehrer unferer modernen Nußkunft, die Ge-
ftaltung des abfolut neuartigen Baugedankens
ohne weiteres auch einem formal gleich-
geftimmten Künftler übertragen, dem Profeffor
Peter Behrens. Durch eine lokale Majorität
gedrängt, befchloß man jedoch fpäter die Ver-
anftaltung eines Preisausfchreibens, an dem ßch
u. a. ' die bedeutenden deutfchen Architekten,
wie Theodor Fifcher, M. Littmann, Herrn. Billing
und, auf die ausdrückliche Bitte von Bauherr und
Jury, auch wieder Peter Behrens, beteiligten.—
Zu aller Erftaunen erhielt aber keiner diefer
großen und fchöpferifchen Perfönlichkeiten den
Ausführungsauftrag, fondern ein Baubeamter
des preußifchen Minifteriums, der Regierungsrat
Erich Blunck, allerdings ein Lübecker Kind.

Die Ärchitekturaufgabe ift folgende: Das Volks-
haus foll auf den Plaß zwischen Holftentor und

ehemaligem Bahnhof zu ftehen kommen. Das
Holftentor erfcheint heute, wie fo viele alte
Baudenkmäler, durch Bodenauffchüttung des
übrigen Plaßniveaus in die Erde gefunken.
Die Weft-Oftftraße kann deshalb nicht mehr
durch das Tor, fondern nur um es herum
geführt werden, verliert alfo ihre raumäfthe-
tifche Bedeutung als beherrfchende Längsachfe
des Plaßes. Weiterhin ift der Plaß durch aller-
hand Baumgruppen, proviforifche Nußbauten,
durch die in natürlicher Ungebundenheit vorbei-
fließenden Wafferarme der Trave und des Stadt-
grabens fo architektonifch ungeregelt und ord-
nungslos, wie immer nur denkbar, geftaltet.

Von dem Gedanken einer ftrengen architek-
tonifchen und ftadtbaulichen Harmonie gehen die
fünf Entwürfe aus, die Peter Behrens zu der
Konkurrenz beifteuerte: beherrfchende Tiefen-
achfe und kubifch gefchloffenen Baukörper zeigen
ße fämtlich, am meiften aber der leßte Entwurf,
mit Nr. 5 bezeichnet, der alle in den Vorprojekten
noch mehr oder minder degagierten Seitenflügel
in die große Hauptform einbezieht (f. Abb.).

Der Bau zerfällt in ein Sockel- und ein Ober-
gefchoß, jenes mit weitgeftellten, breiten Fenftern,
diefes mit eng aneinandergerückten Schüßen,
gleichfam den Trägern des ungebrochen herum-
laufenden Kranzgefimfes. Dem ganz flachen Dach
fißt eine rechteckige Laterne auf, ein kubifches
Analogon zum Gefamtkörper. Diefelbe propor-
tionale Wiederholung ftellt auch der in der
Tiefenachfe dem Volkshaus vorgefeßte Pfeiler-
portikus dar. Die Ächfe wird monumental be-
tont durch das hier angenommene Reiterdenk-
mal Kaifer Wilhelms I., ein bereits durch frühere
Stiftung gefiebertes Werk von LouisTuaillon.

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