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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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3. Heft
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Bombe, Walter: Alte peruginer Gebildwebereien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0103

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ÄLTE PERUGINER GEBILDWEBEREIEN

Mit 17 Abbildungen Von WALTER BOMBE

I.

Die Baßs, auf der [ich die wirtfchaftliche Blüte Perugias im 14. und 15. Jahrhundert
aufbaute, war in der Hauptfache der Zwifchenhandel. Perugia lag an der großen
Handelsftraße, auf der die Produkte des Nordens über Florenz nach Süden, und um-
gekehrt die Produkte Süditaliens nach Norden befördert wurden, und beherrfchte die
Tiberbrücken. Diefer Zwifchenhandel erreichte im 15. Jahrhundert eine beträchtliche
Höhe. Daneben aber fpielte auch der Handel mit eigenen Erzeugniffen eine große
Rolle, obgleich die Produktionsweife ßich meift in handwerklichem Rahmen bewegte.
Weithin wurden namentlich die im benachbarten Deruta hergeftellten glafierten Ton-
gefäße mit farbigem Dekor, die fogenannten „Vasi Derutesi“ ausgeführt, ferner eiferne
Geräte, Erzeugniffe der Landwirtfchaft und Viehzucht, und, nicht an leßter Stelle, ge-
wiffe blauweiße Gebildwebereien, die fogenannten „tovaglie perugine“.

Diefe Tücher find eine ganz eigenartige Spezialität der Peruginer Webekunft, Ältar-
decken, Tifchtücher, Servietten, Hand- und Umfchlagetücher aus grobem weißen Leinen,
meift geköpert, mit baumwollenen blauen Ornamentftreifen, die uralte Naturfgmbole,
Menfchen-, Tier- und Pflanzenformen, gelegentlich auch Abbildungen Peruginer Monu-
mente, wie die Fontana Maggiore und die Porta S. Ängelo, oder auch das Stadtwappen,
den auffteigenden Greifen und das Abzeichen von Porta Eburnea, den turmgekrönten
Kriegselefanten, uns vor Augen führen.

Noch heute befijjen Peruginer Kirchen folche Altardecken, und in den Landkirchen
Umbriens und Sienas, auch im Mugello, find fie noch hier und da im Gebrauch. Der
weitaus größere Teil diefer alten Webereien aber befindet fich jeßt in öffentlichen und
Privatfammlungen und im Kunfthandel. Einige Exemplare befitjt das Berliner Kunft-
gewerbe-Mufeum, das Musee des Arts decoratifs in Brüffel, das Museo Nazionale in
Florenz, das South Kenfington-Mufeum in London, das Museo Civico in Modena, das
Germanifche National-Mufeum in Nürnberg, das Musee du Louvre in Paris, das Museo
Medievale, die Sammlung Gallenga in Perugia und das Museo di Arte decorativa in
Rom. Eine in ihrer Art vollftändige Serie von mehreren hundert ganzen Stücken
und Fragmenten hat der Cavaliere Prof. Mariano Rocchi in Rom zufammengebracht.
Auf der Ausftellung altumbrifcher Kunft in Perugia 1907 war eine Auswahl der
fchönften Stücke diefer Sammlung zu fehen, und feit einiger Zeit ift im Caftello di
S. Angelo und in der Wohnung des Befißers, Via Nazionale 243, das ganze in vier
Jahrzehnten gefammelte Material dem Studium zugänglich.1

Aus der fchon recht umfangreichen Literatur über diefe Erzeugniffe alter Kunft-
weberei führen wir nur das wichtigfte an: Aleffandro Bellucci, „Antica arte tessile a
Perugia“ in „L’Arte“ 1905, Fase. 3, Ifabella Errera, „Tessuti perugini“ in „Emporium“
1906, Aprile, Vol. 23, Nr. 136, Pericle Perali, „Tovaglie e mantili di Perugia (sec.
XIII—XVI) con segni e simboli magici“ in „Augusta Perusia“, 1907, Fase. 5—6,
Maggio-Giugno, R. de Nolva, „Les tissus ombriens anciens ä l’Exposition de Perouse“

1 Den Vorftehern refp. Befißern diefer Sammlungen, vor allem Herrn Prof. Rocchi in Rom, Herrn
Direktor von Falke in Berlin, Herrn Dr. Giacomo De Nicola in Florenz und Mr. Kendrick in London,
ferner Herrn Direktor Bezold in Nürnberg, Herrn Direktor Frauberger in Düffeldorf und Herrn
Direktor Moriz Dreger und Dr. Albert Figdor in Wien dankt der Verfaffer für Auskünfte und
Photographien diefer und ähnlicher Gewebe. Die große Reichhaltigkeit der Sammlung Rocchi
und das freundliche Entgegenkommen ihres Befißers geftattete es, faft das ganze Äbbildungs-
material diefer Sammlung zu entnehmen.

Der Cicerone, VI. Jahrg., 3. Heft. 6

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