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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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12. Heft
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Bombe, Walter: Die Bramante-Ausstellungen in Mailand und in Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0475

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DIE BRAMANTE-AUSSTELLUNGEN IN

MAILAND UND IN FLORENZ Von WÄLTER BOMBE

Äm 11. Äpril, nicht, wie man bisher glaubte, am 11. März, waren 400 Jahre ver-
gangen feit dem Tage, da der größte Baukünftler der Renaiffance in Rom die
Äugen für immer fchloß. Die feit den Tagen Gages in die Literatur übergegangene
Angabe des 11. März 1514 als des Todestages Bramantes gründet fich auf eine falfdie
Interpolation Gages in dem Datum des bekannten Briefes Baldaffarre Turinis an den
Herzog Lorenzo de’ Medici von Urbino, das wörtlich fo lautet: „Romae, die XII, hora
IIII noctis MDXIIII“. Hier hat Gage irrtümlich das Wort „Martii“ eingefchaltet, wie
Domenico Gnoli foeben nachweift1. Der unmittelbar auf diefes Schreiben folgende
Brief Turinis an den Herzog, deffen Inhalt fich mit diefem verknüpft, enthält die Worte:
„nell' ultima mia che fu mercoledi sera“. Da Gnoli feftgeftellt hat, daß der 12. Äpril
ein Mittwoch war, fo ift höchft wahrfcheinlich, um nicht zu fagen ficher, der Todestag
Bramantes der 11. April 1514. Dazu kommt noch, daß das Diario des Sanudo unter
dem 19. April die Notiz bringt: „El Bramante, quäl havia l’ofizio del piombo, e morto“.
Wenn Bramante fchon am 11. März geftorben wäre, fo würde Sanudo diefe Nachricht
gewiß einen Monat früher erhalten haben.

Daß die Bramante-Ausftellungen in Mailand und in Florenz einen Monat zu früh
eröffnet wurden, ift alfo auf einen Fehler in der an falfchen Angaben und fchlecht
interpretierten Urkunden reichen Veröffentlichung Gages zurückzuführen, was wir aber
nicht zu bedauern brauchen, da wir jeßt in Ruhe die beiden großen Ausheilungen
ftudieren können, bis fie im Juni durch die in Urbino geplante große Ausheilung
abgelöft werden. Auf diefe letztere Veranftaltung darf man befonders gefpannt fein,
weil die Anfänge Bramantes in feiner Heimat der Forfchung noch viele Rätfel auf-
geben und nur die Vereinigung aller zu ihm in Beziehung gebrachten Werke der
Malerei und der Baukunft in guter photographifcher Wiedergabe hier Klarheit fchaffen
kann. Leider hat über den Werken diefer feiner früheften Schaffensperiode (1467 bis
1472) ein Unftern gefchwebt. Von den Malereien diefer Jahre ift nichts mehr erhalten,
und was ihm in und bei Urbino an Bauwerken zugefchrieben wird, trägt den Namen
Bramantes wohl meift mit Unrecht; fo in Urbania eine Terraffe in der Cafa Lazzeri
und die Madonna del Riscatlo, in Rimini der erft 1500 begonnene Palazzo Lettimi, in
Faenza der von Giuliano da Majano erbaute Dom. Anklänge an Bramantes Stil zeigt
die Kirche S. Bernardino bei Urbino, die Tür von S. Bernardo in Faenza und der
Palazzo Manfredi dafelbft.

Vor 1477 fiedelt Bramante in die Lombardei über, wo er bis an das Ende des
Jahrhunderts eine überaus fruchtbare Tätigkeit als Baukünftler und als Maler entfaltet.
Was er hier an Malwerken gefchaffen hat, ftatuarifche Figuren von Philofophen,
Kriegern und anderen Helden des Geiftes und des Schwertes, find meiftens überlebens-
große Gehalten in ftrengem architektonifchen Rahmen, auf die Fernwirkung berechnet,
wie die Giganten aus dem Palazzo Panigarola, die fich jetjt in der Brera befinden,
fieben Krieger von großartiger Erfindung, machtvoll in der Pofe, und dazwifchen die
weniger erfreulichen Bildniffe Demokrits und Heraklits, des lachenden und des wei-
nenden Philofophen. Ähnlicher Art ift der Argus im Schlöffe der Sforza in Mailand,
der feinen engen Rahmen zu fprengen fcheint, und fo dürfen wir uns auch die Philo-

1 Gaye, „Carteggio inedito d'artisti dei secoli XIV, XV, XVI pubblicato cd illustrato con do-
cumenti pure inediti“, 3 Bände, Florenz 1839—1840. Bd. II, p. 135, Dok. LXXX. — Domenico
Gnoli, „La data della morte di Bramante“, Giornale d'Italia, 13. März 1914.

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