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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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2. Heft
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Friedeberger, Hans: Die Anbetung der Könige von Hugo van der Goes
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DIE HNBETUNG DER KÖNIGE VON HUGO

VHN DER GOES Mit einer Tafel / Von HÄNS FRIEDEBERGER

Zwei Jahre zähen unabläffigen Kampfes und mehr als eine Million Mark — fie find
kein zu hoher Preis für diefes allerfchönfte Werk, das endlich, dank der unab-
läffigen Bemühungen Bodes und Friedländers ins Kaifer Friedrich-Mufeum gekommen
ift. Die niederländifche Abteilung unferer Galerie war von jeher reicher an hervor-
ragenden Werken als irgend ein anderes Mufeum, aber felbft aus diefem Reichtum
heraus, ja felbft vor den Tafeln des Egckfchen Altars glüht und leuchtet diefes Bild.

Wir wiffen von feinen Schickfalen, bevor es nach Montforte kam, nicht viel. Viel-
leicht verließ es die Niederlande zur felben Zeit, als Rogier van der Wegdens Kreuz-
abnahme (von der unfere Galerie eine alte Kopie befißt), von Leuwen nach Spanien
kam. Immerhin muß es fich einige Zeit nach feiner Entftehung noch in den Nieder-
landen aufgehalten haben, da eine Anzahl Kopien danach nachzuweifen find. Die
befte, die Direktor Friedländer in Wien fand, enthält auch noch jenes Rechteck, das fich
ehemals an dem oberen Rande befand, und fie zeigt hier Engelgruppen, die das Dreieck
der Kompofition zufpißen und außerdem das Streiflicht erklären, das auf die Hand
des zweiten Königs fällt. Diefe Angaben über die Füllung und Miffion des recht-
eckigen Auffaßes beftätigt dann noch eine Zeichnung des älteren Holbein in Bafel, auf
die Glafer verwiefen hat. Diefe Zeichnung, die immer fchon als wichtigftes Argument
für die Annahme einer niederländifchen Reife Holbeins angeführt wurde, fchon folange
man fie nur als dem Werke Hugos van der Goes naheftehend bezeichnen konnte, wieder-
holt eine Anzahl von Motiven des neuen Berliner Bildes wörtlich. Da Holbein Teile
diefer Zeichnung bereits 1502 im Kaisheimer Altar verwendet hat, eine Entftehung des
Blattes aber vor 1500 aus ftiliftifchen Gründen kaum denkbar ift, fo muß das Blatt
etwa 1501 entftanden fein. Daß Holbein in diefem Jahre in Frankfurt tätig war, ift
eine weitere Beftätigung diefer Annahme. So liefert das neue Werk denn auch feinen
Beitrag zur Holbeinbiographie.

Was es für die Kunde von van der Goes bedeutet, wird fich fo leicht nicht aus-
machen laffen. Da es ficher nach dem Portinarialtar entftanden ift, muß es in die
leßten zehn Lebensjahre des Meifters fallen. Was mag die gewaltige Entwicklung be-
ftimmt haben, die der Maler in den Jahren erfuhr, die zwifchen beiden Bildern liegen?

Diefe ungeheure Entwicklung gibt fich nicht nur im Farbig-malerifchen kund. Daß
das Bild auch in diefer Beziehung fo anders ausfieht als feine Genoffen, liegt zum
guten Teil daran, daß es in feinem Verfteck in Spanien all die alten Lafuren behalten
hat, die fonft die Reftauratoren des 18. Jahrhunderts mit der gelb gewordenen Firnis-
fdiicht zufammen entfernten. Die Farbe würde es auch nicht erklären — und die freie,
eminente malerifche Behandlung gewiß nicht -- daß fo viele Befchauer den Eindruck
italienifcher Beeinfluffung vor diefem Bilde nicht losgeworden find, daß ein Berliner
Kunftfchriftfteller fogar von der Möglichkeit gefprochen hat, daß van der Goes feine
Anbetung der Hirten felbft nach Florenz geleitet habe. Ich glaube, man braucht nicht
fo weit zu gehen, um fo weniger, als die Tradition bei van der Goes keinen Anlaß
dazu bietet, wie etwa bei feinem älteren Kunftgenoffen Rogier van der Weyden. Er
kann bei dem Agenten der Medici, bei Tommafo Portinari, der ihm das Florentiner
Bild beftellte, wohl Werke der italienifchen Meifter gefehen haben. Ich weiß nicht, ob
fich der damalige niederländifche Kunftbefiß an italienifchen Bildern irgendwie feft-
ftellen läßt. Intereffant genug wäre das.

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