Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

DOI Heft:
[Heft 23/24]
DOI Artikel:
Brinckmann, Albert E.: Ernst Heidrich
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0692

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ERNST HEIDRICH f

Auf dem Wege zur Vorlefung erreicht mich
die Nadiricht, daß Ernft Heidrich bei Dix-
muiden für unfer Vaterland gefallen ift.

Vor zwölf Jahren wurden wir miteinander
bekannt. Es war auf den kahlen Wandelgängen
der Berliner Univerfität vor dem kleinen Hör-
faal für Kunftgefchichte, in dem Heinrich Wölfflin
feine Vorlefungen hielt. Unter uns Jungen fchien
Heidrich damals fchon der Ältere, mochte auch
ein Unterfchied an Jahren kaum beftehen. Er
hatte bereits feine philologifch-hiftorifchen Stu-
dien abgefchloffen, die ihm eine fo wertvolle
Unterlage für fpätere kunftwiffenfchaftliche Ar-
beiten werden füllten und die wir anderen, die
von der Jurifterei, Philofophie und Medizin
kamen, mühfam und unvollkommen uns an-
eignen mußten, ln diefer vom erften Schauen
und Erleben beraufchten Schar war er das ruhige,
ja faft pedantifdie Element. Und eben doch der
ruhige Mittelpunkt, um den fich andere, kaum
daß fie es felber merkten, fammelten. Nicht
allein feiner Kenntniffe und feiner helfenden
Freundlichkeit wegen; wer ihm auch nur flüchtig
nahe kam, empfand die milde Heiterkeit und
lebhafte Befonnenheit diefes eckigen Menfchen
mit ausgewölbtem Kopf fo, als gelte fie nur
ihm perfönlich. Das war der befondere Reiz
Heidrichs, daß er fich leichthin gab wie er war,
und dabei doch für jeden befonders zu fein
fchien. War man öfter mit ihm zufammen, dann
fpürte man, wie hinter ruhiger, abgeklärter Ober-
fläche Grüblen und Begeiferung fich durchein-
ander flochten, die plößlich in einem ftrahlenden
Blick feiner graublauen Äugen hervorbrechen
konnten.

Seine erfte Ärbeit über die Mariendarftellung
bei Dürer war ein Tribut an feine Lehrer Wölfflin
und den Archäologen Kalkmann, der unbekannt
dahingegangen ift und dem wir foviel verdanken.
Die folgende Habilitationsfchrift; „Dürer und die
Reformation“, die der Berliner Univerfität ein-
gereicht wurde, griff unter das Formale tief in
die Geiftigkeit jener Zeit und wurde ihm in
manchen Teilen zum Bekenntnis. Überrafchend

für den, der nur den ruhigen Menfchen kannte,
überrafchend auch für feine nahen und ferneren
Freunde — und wieviele find ihrer —, denn fie
bewies ihnen, wie gut fich eine Synthefe zwi-
fchen philologifcher Forfcherarbeit und eigener
Innerlichkeit vollziehen ließ. Eine kommentierte
Sammlung Dürerfcher Schriften folgte, fie wurden
der Anlaß, mit ihm in erneute Beziehungen zu
treten. Damals hatte er eine Frau, feine Jugend-
freundin, heimgeführt, und die kleine Wohnung
im vierten Gefchoß eines Berliner Gartenhaufes
leuchtete im Glück diefer Ehe und im Glüdc
reicher, doch auch mühevoller Ärbeit.

Bald kam die Berufung nach Bafel auf den
von Jakob Burckhardt geweihten Lehrftuhl, der
fich für ihn in ein Ordinariat verwandeln füllte.
Man muß die Freude des jungen, unbeftimmt
treibenden Berliner Privatdozenten über diefe
Berufung nachfühlen, um zu verftehen, mit
welcher Treue Heidrich in Bafel feinen Aufgaben
nachging. Er fchlug Wurzeln wie ein Stamm-
verwandter. Die holzfchnittartige Feftigkeit der
Schweizerftadt mußte gerade ihn anziehen,und
in kurzer Zeit war er weit über feinen Lehr-
beruf hinaus in die künftlerifchen Fragen der
Gegenwart, die diefe befonnene Stadt fich ftellt,
hineingezogen. Man kann nichts Schöneres von
ihm fagen, als daß dort gern auf feinen Rat
gehört wurde, mit Verehrung fprachen mir aus-
übende Künftler von ihm. Berufungen nach
Prag und Marburg lehnte er ab, bis dann der
Ruf kam, als Nachfolger Dehios an der Straß-
burger Univerptät in einen großen Wirkungs-
kreis einzutreten. In den Veröffentlichungen
feiner Bafeler Jahre hatte er den Grund gelegt,
auf dem er nun reiche Ernte einzubringen hoffte.
Vor feiner erften Vorlefung dort rief ihn dann
das Vaterland.

Seine leßten Studien haben befonders der
niederländifchen Malerei gegolten. Nun liegt
der Vierundreißigjährige in jenem Land, das er
im Frieden bereift hat, ein Träger deutfcher
Kultur, ein deutfcher Gelehrter, ein feltener
Menfch. Ä. E. Brinckmann.

660
 
Annotationen