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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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[Heft 23/24]
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Schmidt, Paul Ferdinand: Die Ausstellung alter Meister aus Leipziger Privatbesitz im Kunstverein zu Leipzig: (15. November bis 15. Dezember 1914)
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DIE AUSSTELLUNG ÄLTER MEISTER
ÄUS LEIPZIGER PRIVHTBESITZ IM
KUNSTVEREIN ZU LEIPZIG

(15. NOVEMBER BIS 15. DEZEMBER 1914) Von PÄUL FEBDINÄND SCHMIDT

7Tuch Leipzig beginnt eine Stadt der Sammler zu werden; der neuzeitlichen, von
Kunftwiffenfchaftlern beratener Sammler, die nicht wahllos und nicht Namen,
fondern Qualität und abfeits liegende Feinheiten der Kunftgefchichte fammeln. Einen
Überblick über das bisher Zufammengebrachte gibt die gegenwärtige Ausftellung des
Leipziger Kunftvereins.

Denn die Ausftellung bringt nicht nur kunfthiftorifdi Intereffantes, fondern vor allem
Qualität; das beweifen in erfter Linie die holländifchen Bilder, unter denen fich kaum
etwas Gleichgültiges befindet; was auf diefem Gebiet etwas bedeuten will. Doch
werden auch die kunfthiftorifchen Funde den Forfcher intereffieren.

Altniederländer. Eine Beweinung Chrifti vom Meifter der Virgo inter Virgines
(Slg. Prof. Ulr. Thieme) ift das wertvollfte Stück, von dem morbiden grüngelblichen
Kolorit und der kränklichen Empfindfamkeit eines Spätgeborenen. Ferner ein hl.
Hieronymus in der Landfchaft aus der Memlingfchule (Slg. Brockhaus).

Altdeutfche find ftärker vertreten. Hauptwerke: ein fehr gutes Aklftück von
Baidung „Die fieben Lebensalter“ (Slg. F. v. Harck), eine anmutige Madonna Cranachs,
aus guter Zeit (Slg. Prof. Thieme), eine Dürerfche Madonna Kulmbachs aus derfelben
Sammlung, und eine faft miniaturhaft kleine Wiederholung eines Holbeinfchen Erasmus,
gut, aber nicht von ihm felbft (Slg. Brockhaus). Aus fpäterer Zeit: Neufchatel, ein
treffliches Doppelbildnis von Vater und Sohn (Slg. Prof. Thieme) und eine Landfchaft
Elsheimers mit dem barmherzigen Samariter (Slg. E. Schulz): ein Stück von erftem
Rang, in köftlicher Frifche und mit dem ganzen Zauber der beften, nie genug zu
fdiäfeenden Elsheimer. Der vorzüglichen Erhaltung tun leider Äbfplitterungen der Farb-
fchicht einigen Abbruch, nicht ohne Bedenken, weil das herrliche Stück auf Kupfer gemalt ift.

Die weibliche Halbfigur, „um 1515“, der Sammlung Prof. A. Doren auf niederdeutfch
oder oberitalienifch zu beftimmen, fcheint noch nicht gelungen; das feine und noble
Bildnis ein foldies ift es wohl — verdient aus der Ungewißheit feines Urfprungs
gezogen zu werden.

Italiener. Von frühen Stücken ift nur eine intereffante Predella des Matteo di
Giovanni, aus der Apoftellegende (Slg. Prof. Thieme), und die köftliche Madonna aus
der Sammlung v. Harck vorhanden, die auf venezianifch als Pfeudo-Bafai'ti beftimmt ift.
Unverkennbar gibt das tiefe fonore Kolorit und die unendliche Schönheit der Landfchaft den
großen Eindruck Giorgiones zu erkennen. Auch dies eines der Hauptftücke in der Ausftellung.

Die fpäteren Italiener des 16. und 17. Jahrhunderts find dank des Spürfinns von
Dr. H. Voss reichlicher vorhanden. Art des Parmigianino: Heiligengefellfchaft (auf
deutfch: „Santa conversazione“, nach dem Katalog (Slg. Brockhaus]), wohl Wieder-
holung feines großen Bildes in Bologna. Schule Veronefes: gute (kleine) Kopie der
Europa desMeifters. — Annibale Carracci: Landfchaft (Slg. E. Platky), eine fehr fchöne und
reiche gefchloffene Kompofition, von der man leider nur in der unteren Hälfte die
glänzende Malerei bewundern kann, da die obere rettungslos abgerieben ift. Dagegen
ift die kleine Landfchaft mit Narziß von P. F. Mola (Slg. Dr. Voss) gut erhalten und in
ihrer dunklen Farbigkeit wie der großzügigen Kompofition ein treffliches Beifpiel der
italienifchen Landfchafter des Hochbarock. Scarfellino: Landfchaft mit hiftorifcher Dar-

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