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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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9. Heft
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Bauer, Curt: Die Klosterkirche SS. Quattro Coronati in Rom: ihre Wiederherstellung und Eröffnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0358

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DIE KLOSTERKIRCHE SS. QUÄTTRO CORONÄTI

IN ROM IHRE WIEDERHERSTELLUNG UND ERÖFFNUNG

Zu den zahlreichen, dem Befucher Roms nodi
unerfchloffenen Monumenten gehörte bisher
die Kirche der Ss. Quattro Coronati. Seit Jahr-
hunderten verunftaltet und verfallen lag fie mit
all ihren mittelalterlichen Schäden als halber
Trümmerhaufen auf dem Monte Celio. Und
doch vereinten fich in ihr eine der früheften chrift-
lichen Bafiliken, der ältefte Klofterhof Roms,
mittelalterliche Befeftigungswerke und Einzel-
fchäße aller Art. Bereits Giov. Batt. de Roffi,
der angefidits ihrer Refte die Berufung zu feinen
chriftlidi-archäologifchen Studien zum erftenmal
fühlte, plante ihre Wiederherftellung: ein Plan,
der heute von dem jungen Archäologen Prof.
Munoz, Infpektor der Sovraintendenza ai mo-
numenti, zur Vollendung gelangte und mit über-
rafchendem Erfolg uns das ehrwürdige Bauwerk
in feinen wefentlichen Teilen, fo wie fie einft
errichtet wurden, vor Augen führt.

Die Bafilika gehört zu den charakteriftifchften
des Mittelalters. Sie ift den vier heiligen Bild-
hauern geweiht: Severus, Severinus, Carpophorus,
Vittorinus, die nach der Legende das Martyrium
unter Diocletian erlitten, weil fie fich weigerten,
eine Statue des Äskulap anzufertigen. Die Grün-
dung der Kirche geht auf das 4. Jahrhundert
zurück, fpäter erneuerten fie Honorius I. und
Hadrian I. Ihrem Ausbau jedoch wandte haupt-
fächlich Papft Leo IV. (847—855), der fie als
Kardinal zur Titolarkirche befaß, fein Augen-
merk zu. Er ließ die Gebeine der vier Heiligen
aus den Katakomben Ss. Pietro und Marcellino
in die Bafilika überführen und für fie eine unter-
irdifche Krypta mauern. Diefes höchftwichtige
Dokument des 9. Jahrhunderts fand Prof. Munoz
bei feinen Ausgrabungen nach dem alten Mo-
faikfußboden wieder. Man blickt durch ein
rundes, vergittertes Loch vor der Äpfis in die
Grube, deren Boden neun horizontal verfenkte
Säulen aus Pavonazzetto bilden, die das fchwere
Gewicht der Sarkophage tragen. Diefe Sarko-
phage, vier ornamentierte antike Wannen aus
Porphyr, Serpentin und Kupfer finden wir heute
in der fpäter von Kardinal Mellini (1620) unter
der Apßis erbauten Krypta, zu der zwei Treppen
hinabführen. Befonders feffelnd fchimmert aus
dem Hintergründe der fchön patinierte Kupfer-
farkophag hervor, die einzig erhaltene antike
Wanne aus Kupfer. Leo VI. errichtete ferner
eine Schola cantorum, Ciborium und Altar. Den
dazu verwandten Marmor entnahm er, wie heid-
nifche Infchriften bezeugen, teilweife den Ther-
men des Caracalla. Viel davon fand fich bei
der Reftaurierung unter dem neuen Fußboden
zerbrochen vor und ziert jeßt mit feiner fchönen

antiken Ornamentierung die Wände des an-
grenzenden Klofterhofes. Darunter kam auch
der lange gefuchte Teil einer Marmorin fchrift
des Damafus-Grabes zum Vorfchein.

Am 25. Mai des Jahres 1084 drang Robert
Guiscard mit den Normannen in Rom ein, zer-
ftörte die ganze Region des Monte Celio und
feßte die beiden ehrwürdigen Bafiliken S. Ge-
mente und Ss. Quattro Coronati in Brand. Da-
mals wurde unfer herrliches Bauwerk völlig ver-
nichtet. Das Dach fowie das linke Seitenfchiff
ftürzten zufammen, Altar, Ciborium und allen
Marmorfchmuck unter den Trümmern begrabend.
Erft Jahrzehnte fpäter, im Jahre 1111, ließ Papft
Pasquale II., der S. Clemente wiederherftellte,
Ausgrabungen nach den Reliquien in Ss. Quattro
Coronati vornehmen, deren glückliche Äufßn düng
eine erhaltene Infchrift erinnert. Fünf Jahre
fpäter konnte die Kirche von neuem dem Kulte
übergeben werden, allerdings um ihre beiden
Seitenfchiffe und einen Teil ihrer Länge ver-
mindert. Äußerordenlich klar brachte die jeßige
Reftaurierung die ehemalige Form derLeoninifchen
Bafilika zur Wahrnehmung: Von der Apfis zog
fie fich bis zu der gegenwärtig dem Eingänge
vorgelagerten Säulenreihe, während an den Ein-
faffungsmauern der von Pasquale II. verkleiner-
ten und durch die oberen Loggien (matronei)
bereicherten Kirche jene früher die beiden Seiten-
fchiffe tragenden Säulen aufgedeckt und auf ihr
urfprüngliches Niveau bloßgelegt wurden. -
Durch die linke Wand führt eine Holztür in den
Ende des 11. oder anfangs des 12. Jahrhunderts
von den Benediktinern errichteten Klofterhof,
den älteften Roms, heute wieder mit feinem köft-
lichen Portikus von Doppelpilaftern zu einem
höchft anziehenden Aufenthalt hergerichtet: das
würdigfte Beifpiel römifdierCosmatenkunft. Viele
der Pilafter find ergänzt. Der charakteriftifdie
Ziegelarchitrav mit polychromen Marmorein-
lagen krönt den Portikus in feiner einftigen Ge-
ftalt. Die Mitte des mit Blumenbeeten bepflanzten
Gärtchens zierte der Reftaurator durch eine fchöne
auf einer Säulenfpiße ruhende Marmorfchale,
ebenfalls aus der Zeit Pasquale II.. An der
linken Seite des Portikus grenzt eine kleine,
feltfam feierliche Kapelle mit drei Apfiden. Ihre
teilweife aufgedeckten Fresken, nach denen die
Kapelle der hl. Urfula gewidmet war, ftammen
aus der Zeit Leo IV. Die Apfiden umrahmten
je zwei Säulen, die in den Vatikan gelangten,
während wir ihre weißen Marmorkapitäle noch
oben an alter Stelle erblicken. Dämmerlicht fällt
durch die Fenfter von durchbrochenem Marmor,
von denen fich eines (oberhalb der Hofwand)

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