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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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6. Heft
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Münsterberg, Oskar: Chinesische Kunst in Amerika, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0219

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CHINESISCHE KUNST IN AMERIKA

Von O. MÜNSTERBERG

(Fortfe^ung aus Heft 5)

Mit 25 Abbildungen

ährend in Bofton die Sungtöpfereien nur durch einzelne Beifpiele illuftriert find,

VV finden wir in der Freer-Sammlung in Detroit eine ganze Reihe hervor-
ragender Stücke in verfdhiedenen Farben und Formen, in dem Pfauenfaale, der von
Whiftlers Künftlerhand mit Goldkonturen auf Ledertapeten urfprünglich für ein Londoner
Haus gemalt und dann nach Detroit übertragen wurde, find an den Wänden künft-
lerifch gefchnißte Holzftellagen mit zahllofen Nifchen angebracht, in denen die Gefäße
und Schalen malerifch gruppiert find, ln der Mitte der Querwand hängt das lebens-
große Bild einer Japanerin in blauem Gewände von Whiftler. Diefes Bild gibt gleich-
fam den Grundakkord der Gefamtwirkung des Raumes, die noch gefteigert wird, wenn
die mit Pfauen in goldenen Konturen bemalten Fenfterläden vorgefchoben werden und
das gedämpfte künftliche Licht entzündet ift. Die Gefamtwirkung läßt natürlich den
einzelnen Gegenftand nicht voll zur Geltung kommen. In den unfeheinbaren Nifchen
ftehen Kunftwerke, von denen man zunächft nur die Silhouetten fieht, und die erft
einen Farbenglanz wie Edelfteine entwickeln, fobald man fie in der Hand hält. Man
genießt den eigenartigen Zauber der chinefifchen Glafurtöpfereien erft vollkommen,
wenn man das einzelne Stück in die Hand nimmt, es befühlt, nach allen Seiten um-
wendet und die Strahlen des Lichtes auf der Oberfläche fpielen läßt.

Da find herrliche Exemplare jener berühmten Temmokufchalen, die von den Japanern
im 15. Jahrhundert für ihre Teezeremonien gefammelt wurden. Es find jene runden
Teefchalen, die nach unten fpiß zulaufen und deren dicke, bräunliche Glafuren durch faden-
förmige, vom Boden ausftrahlende Mufter verziert find. An anderer Stelle ftehen die
chinefifchen Spielarten des Claire de lune mit ihren weiß-violetten Tönungen und dann
wieder eine ganze Reihe von Schalen mit den feltenen rot-violetten. Der ganze
Stil diefer beften Sungtöpfereien mit ihren fpäteren Nachahmungen ftimmt mit den feinen
Stimmungen überein, welche die Schwarz-weiß-Malereien der gleichen Epoche aufweifen
und dem philofophifchen und lyrifchen Empfinden der damaligen Gebildeten entfprechen.
Sie verhalten pch zu den bunten dekorativen, meift auch viel größeren Stücken aus
Porzellan wie die myftifchen Landfchaftsbilder der Sungzeit zu den erzählenden, farben-
prächtigen Malereien der Mingzeit, und wie das damalige Leben der Literaten und
Künftler auf Bergesfpifeen oder in Waldeseinfamkeit zu den prunkvollen, buntfchillernden
Hofleben der Rokokozeiten unter den Mandfchu-Herrfchern. Töpfereien im Sungftil
finden fich auch in Paris, London und Berlin, aber an keiner Stelle habe ich eine fo
ausgewählte und umfangreiche Kollektion gefehen, wie fie im Pfauenfaale in Detroit
von Freer vereint ift.

Der frühbuddhiftifchen Zeit gehören einige Bronzen in Freers Kollektion an. Bei
ihnen fehlt noch jede Individualifierung der Gottesfigur. Die Darftellung zeigt den in
der Konvention erftarrten Typus, der für Jahrhunderte charakteriftifch blieb. Aber aus
der Bewegung des Körpers, der Außenkontur, der ganzen Stilifierung fpüren wir eine
Vollendung, die fpäter niemals wieder erreicht worden ift. Charakteriftifch ift auch
ein viereckiger Sockel, die Imitation eines damaligen Hockers.

Am wichtigften aber und nicht allein heute einzig in der Welt, einfchließlich China
und Japan, fondern vorausfichtlich auch einzig in den nächften Jahrzehnten, ift an Um-
fang und Vielfeitigkeit Freers Sammlung oftafiatifcher Bilder. Vereinzelt gibt es vor-
treffliche Werke auch an anderen Plänen! So im Musee Guimet in Paris (z. B. jene
vier Malereien, die die Kaiferin Witwe gefchenkt hat), ferner im Britifh Mufeum in

Der Cicerone, VI. Jahrg., 6. Heft. \H

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