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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft 20/21
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Biermann, Georg: Alfred Hagelstange
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0667

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ÄLFRED HHGELSTHNGE f

Soeben meldet der Draht den Tod Alfred Hagelftanges, des Direktors des
Wallraf-Richarß-Mufeums in Köln. Ich hatte den Freund gerade in diefen
Tagen zum Befuch erwartet; ftatt feiner kommt die Todesbotfchaft.

Nicht auf dem Schlachtfeld ift Hagelftange geftorben, auf dem jeßt täglich
foviel Jugend und frohe Hoffnungen verbluten, fondern daheim, ein feit
Jahren dem Tode Geweihter, an dem plößlichen leßten fchmerzlichen Auf-
flackern einer fchleichenden Krankheit.

Hagelftange wußte feit langem, daß ihm nur ein kurzes Leben befdiieden
fei. Er hat dem Tod fo feft wie feiten einer ins Antliß gefehen — aber ficher-
lich hat er nicht geglaubt, daß er ihn fobald zur Reife in die Ewigkeit ab-
holen würde. Er hatte noch auf einige Jahre gehofft, um fo vieles abfchließen
zu können, das nun jäh unterbrochen wurde. Er hatte Pläne für Köln, für
fein Mufeum, für die Kunftgefchichte. Seit langem erwarteten wir von ihm
die neue Gefchichte der Kölner Malerfchule, die beinahe vollendet, uns
nun doppelt wertvoll ift und feinen Namen für alle Zeiten unvergeffen machen
wird. Große Erwartungen dürfen an das Erfcheinen diefes Werkes geknüpft
werden, das ein Teftament feiner Lebensarbeit ift. Denn feit Köln Hagelftange
durch feine 1908 erfolgte Berufung ans Wallraf-Richarß-Mufeum zur neuen
Heimat geworden war, galt feine ganze Liebe jener köftlichen Malergruppe,
durch die der Name der rheinifchen Hauptftadt in der Gefchichte des deutfchen
Mittelalters nicht weniger berühmt geworden ift wie durch die ftolzenDome und
Kirchen. Die feine Mgftik diefer Kunft nahm Hagelftanges Wefen voll und
ganz gefangen. Er empfand den feelifchen Reichtum diefer Werke und ihren
künftlerifchen Zauber. Er war einer der Erften, der von hier aus den Weg zu
wefensverwandten modernen Erfcheinungen gefucht und gefunden hat. Und
daß er den ihm anvertrauten Mufeumsbefiß in erfter Linie nach der gleichen
Richtung hin zu erweitern ftrebte und fehr glücklich ergänzen konnte, wird
man ihm für alle Zeiten, gerade am Rhein, zu danken haben. Aber feinem
Wirken als Leiter der ihm unterteilten Sammlung war noch ein größerer Er-
folg befdiieden. Hagelftange hat nicht nur durch eine völlige Neuaufteilung
der Gemäldegalerie das ihm anvertraute Erbe zu einer überrafchend fchönen
Wirkung gebracht, fondern Köln in dem kurzen Zeitraum von fechs Jahren
eine moderne Galerie gefchaffen, die in mancher Beziehung geradezu vorbild-
lich ift. Seiner Initiative vor allem ift der feinerzeit viel diskutierte Ankauf
der Leibi-Sammlung aus dem Seegerfchen Befiß gelungen, durch den fich
Köln nicht nur dauernd einen Schaß gefichert hat, deffen Wert heute fchon
um das Doppelte geftiegen ift, großartiger vielleicht war die verfpätete Dankes-
fchuld, die die Vaterftadt Leibis diefem, ihrem größten Sohne in neuerer
Zeit durch den Ankauf jener Sammlung abftatten konnte. Mufeal darf diefe
Erwerbung heute zweifellos zu den glänzendften Taten auf diefem Gebiete
gerechnet werden; denn hier begegnete die natürliche Pflicht des Lokal-
hiftorikers der Bedeutung einer zeitlich und örtlich unbegrenzten Kunft. Um
die Werke Leibis aber wußte Hagelftange mit einem wundervollen Gefühl für

Der Cicerone, VI. Jahrg., Heft 22/24. 47

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