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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft. 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0053

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LITERATUR

LITERATUR

NEUE KUNSTLITERÄTUR

KATALOG DER SAMMLUNG KIPPENBERG.
Goethe — Fauft ■— Alt-Weimar. Infel-
Verlag zu Leipzig.

Als ftolzes Motto fteht diefem Werke das
Wort voran „Einen Einzigen verehren“. Und
das mag mehr als Symbol des hier Vereinigten,
prachtvoll Zufammengefügten fein; es ift der
Wahlfpruch eines feltenen Menfchen, eines un-
ferer erften Kulturförderer, der in Goethe das
Unvergängliche fand, das Leitmotiv feines eigenen
Wollens. Man kann fich vorftellen, daß diefer Ka-
talog einmal für die Literaturgefchichte ähnlichen
Wert bekommt wie ihm etwa Smiths Catalog der
alten Holländer für die Kunftgefchichte hat, den
Hofftede de Groot feit Jahren neu bearbeitet.
Denn die Sammlung Kippenberg ift in ihrer Art
einzig daftehend — fie begreift das Leben un-
feres Größten dokumentarifch, zeigt ihn ebenfo
im Zufammenhang mit feiner Umgebung wie als
einzelnen phänomenalen künftlerifchen Werde-
prozeß und es ift gewiß nicht zuviel gefagt,
wenn der Befißer im Vorwort ftolzen Bewußt-
feins froh behauptet: „In privatem Beflß ift eine
Goethe-Sammlung von ähnlicher Bedeutung wohl
niemals vereinigt gewefen — und öffentlichen
Inftituten gegenüber ift fie dadurch im Vorteil,
daß ße den gefaulten Umkreis der Goethefchen
Welt umfdireibt.“ Es foll auch an diefer Stelle
nicht vergeffen werden, daß Kippenberg eben-
falls im Vorwort dankbar feines Mitarbeiters Dr.
Friß Adolf Hünich gedenkt, deffen Sachkenntnis
auch wir dankbar pnd, die wir in dem Katalog
mehr als ein nur rein literarhiftorifches Ereignis
feiern. Im Gegenteil: Auch die kunftgefchicht-
liche Ausbeute ift eminent und müßte näher
umriffen werden, würden wir damit nicht zum
Teil der großen Darmftädter Jahrhundert-Äus-
ftellung vorgreifen, die der Großherzog vonHeffen
im Mai eröffnet, weil bei diefer Gelegenheit die
Sammlung Kippenberg einen Ehrenplaß erhalten
wird und fo Gelegenheit geboten ift, auch ihre
kunftwiffenfchaftliche Bedeutung abzugrenzen.

Wenn zum Schluß noch gefagt werden muß,
daß auch die buchtechnifche Leiftung diefes Ka-
talogs fo ungefähr das Befte darftellt, was wir
je an folid künftlerifdier Ausftattung erleben
konnten, fo machen wir damit ein berechtigtes
Kompliment einem Manne, der auch auf diefem
Gebiete bahnbrechend in Deutfchland voran-
gegangen ift. Biermann.

MAX LIEBERMANN. Sein Leben und feine
Werke. Von Erich Haneke. Mit 303 Ab-
bildungen. Berlin 1914. Bruno Caffirer.

Der Berliner Altmeifter — fo dürfen wir ihn
heute mit vollem Rechte nennen, ohne damit
feinem jugendlichen Temperament und feiner
Schaffenskraft nahe zu treten — hat das Glück
oder Unglüdc, einer der literarifdi am häufigften
behandelten Künftler zu fein. Wenn fich den
Arbeiten eines Pauli und eines Scheffler jeßt
ein viermal fo voluminöfes Werk zugefellt, das
fchon in feiner prächtigen Aufmachung den An-
spruch erhebt, das Standard Work über unferen
Meifter zu fein, fo müffen unbedingt Gründe
innerer Art für den Wagemut des Verlegers
einerfeits, für den Änfpruch des Autors anderer-
feits vorhanden fein, die der neuen Publikation
ihre Exiftenzberechtigung fichern. Beides ift in
der Tat der Fall. Der Verleger wird mit einem
Buche in fo fplendider Aufmachung und fo
reicher und vollendeter illuftrativer Ausftattung
ficher einen glänzenden Abfaß haben und dem
Autor dürfen wir ungeachtet der vorhandenen
Literatur danken, daß er uns dies Geifteskind
zu Weihnachten befchert hat. — Denn fein
Liebermannbuch faßt nicht fo ausfchließlich das
Problem der Kunft als vielmehr das des Künftier-
lebens an. Es ift Biographie im beften Sinne
des Wortes, womit dem Künftlerifchen an pch
kein Abbruch getan wird. Aber Haneke, der
ein feiner Geift und ein ausgezeichneter Stilift
ift, hat fehr wohl begriffen, daß der Menfch als
Künftler von feinem Werke einmal nicht zu
trennen ift — daß es jeßt an der Zeit erfcheint,
das klaffifche Buch über einen Meifter zu ver-
öffentlichen, deffen Einfluß mehr oder weniger
doch die ganze Kunft der Gegenwart unterliegt,
der vor allem nach der weftlichen Seite hin ein
nachhaltiger Vermittler gewefen ift und mehr
als irgend ein anderer dem Verallgamierungs-
prozeß der Völker im Künftlerifchen vorgearbeitet
hat; dem gleichftark auch die hiftorifche An-
knüpfung gelang, durch die der deutfehe Im-
preffionismus zum mindeften feine gefchichtliche
Stellung errungen hat. Und fo hat Haneke ein
Buch gefchrieben, das zwar aus Vergangenheit
und Gegenwart fdiöpft, das im leßten aber doch
ein Buch der Zukunft ift, über deffen Vorzüge
man ausführlicher fprechen müßte, als es hier
möglich ift. Den Schluß bildet ein Verzeichnis
der Ölbilder, Aquarelle und Paftelle von Lieber-
mann und diefer Catalogue raisonne ift der erfte
diefer Art, ausführlicher als das bei Pauli ge-
gebene Verzeichnis. — Diefer Katalog aber ift
ein Dokument des Lebens und der Kunft. Er
wird fortan die wichtigfte Quelle fein — er ift
ein Beweis exakten Gelehrtenfleißes, für den
die Kunftwiffenfchaft dankbar fein muß. G. B.

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Der Cicerone, VI. Jahrg., 1. Heft. 3

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