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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Das Darmstädter Kunstjahr 1914: Ausstellung der Künstlerkolonie / Jahrhundertausstellung deutscher Kunst 1650 - 1800
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0277

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DÄS DÄRMSTÄDTER KUNSTJÄHR 1914

AUSSTELLUNG DER KÜNSTLERKOLONIE / JAHRHUNDERT-
ÄUSSTELLUNG DEUTSCHER KUNST 1650 — 1800

Darmftadt, die Refidenz des kunftßnnigen Groß-
herzogs Ernft Ludwig von Heffen, rüftet fich
zu großen künftlerifchen Ereigniffen, die für fich
denHnfpruch erheben dürfen, in gefunden Wett-
bewerb zu den beiden anderen bedeutenden Aus-
heilungen diefes Sommers in Leipzig und Köln zu
treten. Während auf der hiftorifch gewordenen
Mathildenhöhe die Pavillons, Anlagen und Bauten
der Vollendung langfam entgegenreifen, in denen
das Können der um den Großherzog verfammelten
Künftlerfdiar einen neuen Beweis moderner Ge-
fchmackskultur vor der Öffentlichkeit ablegen foll,
find die Räume im Refidenzfchloß, die früher das
Landesmufeum beherbergten, einer gründlichen
Erneuerung unterzogen worden, um in fein ab-
gedämpfter heller Farbenfreudigkeit all diejenigen
Werke aufzunehmen, die für die auf Veran-
laffung Seiner Königl. Hoheit des Großherzogs
veranftaltete Jahrhundertausftellung deutfcher
Kunft 1650—1800 in diefen Wochen nach Darm-
ftadt überführt werden.

Vielfeitig ift das Programm fowohl der moder-
nen wie der rückblickenden Äusftellung deutfcher
Kunft und gemeinfame Richtlinien treten hier wie
dort markant genug hervor. Die Äusftellung
der Künftlerkolonie, deren Inhalt von den
im Großherzoglichen Auftrag in Darmftadt tätigen
Künftlern beftritten wird, will in bewußt ab-
gefteckten Grenzen ein Bild freier und ange-
wandter Kunftpflege geben, wie es von jeher
dem kunftfreudigen Fürften vor Äugen ftand.
Sie zeigt in ihren Bauten und an Werken der
Innenkunft, bis zu welcher Höhe fich Gefchmack
und Können feit jener erften, für die Erneuerung
des deutfdien Kunftgewerbes fo denkwürdigen
Darmftädter Äusftellung vom Jahre 1901 gefteigert
haben. Große plafti |che Anlagen, wie fie ähnlich
nur das alte Hellas bereithielt, Goldfchmiede-
kunft — Malerei — Budikunft, alle Zweige der an-
gewandten und monumentalen Kunft follen in
originalen Einzelleitungen dem einen Gedanken
dienen, Ausdruck der in der Moderne vor-
handenen ftarken künftlerifchen Kräfte zu fein.

Die zweite Veranftaltung einer umfaffenden
Jahrhundertausftellung wurde in der Über-
zeugung unternommen, daß hier eine große na-
tionale Aufgabe der Erfüllung nahe gebracht
werden könnte, die im Hinblick auf die unver-
geffene Jahrhundertausftellung der Nationalgalerie
von 1906 immer nachdrücklicher von allen Kunft-
freunden gefordert wurde. Denn wie feinerzeit
die genannte Veranftaltung zugleich grundlegend
und bahnbrechend für die Erkenntnis künftleri-
fchen Wirkens im 19. Jahrhundert geworden

ift, genau fo fteht zu hoffen, daß die neue
Jahrhundertfchau für einen Äbfchnitt nationaler
Vergangenheit, der bisher wohl mit Unrecht
als völlig unproduktiv verfchrieen ward, dasfelbe
leiften wird. Ihr Programm aber fuchte von
vornherein weniger eine lückenlofe Vollftändig-
keit als vielmehr das qualitativ Reizvolle.

Über das Einzelne fei foviel gejagt: Die Jahr-
hunderiausftellung deutfcher Kunft 1650—1800
wird die Malerei der Zeit, einschließlich der
Aquarelle, Paftelle, Handzeichnungen und Mi-
niaturen in einem großen Gefamtrahmen auf-
zeichnen; fie wird nicht minder der Bildhauerei,
vornehmlich der Kleinplaftik, einen breiten Raum
zugeftehen. Daneben aber wird ße — dies
dürfte die Änfchauung von der eigentlichen Ge-
fchmackskultur der Zeit befonders vertiefen —
der fogenannten Luxuskunft, dem Gold, Silber
und Elfenbein, fowie verwandten Zweigen zur
entfprechenden Repräfentation verhelfen. Be-
fondere Abteilungen innerhalb des Gefamtrah-
mens find fodann der Silhouette und einer
Porträtgalerie des künftlerifchen und
geiftigen Deutfchlands Vorbehalten. In diefen
weitabgefteckten Grenzen, in die neben Deutfch-
land auch Öfterreich und die Schweiz einbe-
zogen find, hofft die Ausftellungsleitung wirk-
lich ein Bild jener künftlerifchen anderthalb
Jahrhunderte abwickeln zu können, das allen
hiftorifchen und lebendig-äfthetifchen Änfprüchen
gerecht wird. An dem Zuftandekommen der
Jahrhundertausftellung haben faft alle führenden
Perfönlichkeiten der deutfdien und zum Teil aus-
ländifchen Kunftwiffenfchaft mitgearbeitet und
den Hauptanteil an der Veranftaltung haben
die öffentlich niemals gezeigten Schäle der
deutfdien Schlöffer, der Kirchen, der Privat-
fammlungen ufw. Aber auch aus dem Befiß der
Mufeen, der Bibliotheken und Akademien wer-
den hervorragende Kunftwerke jedweder Art nach
Darmftadt kommen und fo darf wohl behauptet
werden, daß durch die neue Jahrhundertaus-
ftellung zum mindeften ein Material zugänglich
gemacht wird, das zum größten Teil noch niemals
der Öffenlichkeit bekannt geworden ift.

ln welchem Maße fich z. B. die deutfdien Fürften
und Mufeen an der Großherzoglichen Äusftellung
beteiligen, mag aus dem im folgenden gegebenen
allgemeinen Überblick erfiditlidi fein.

Das meifte, was aus den deutfdien Schlöffern
und Sammlungen auf die Äusftellung kommt, ift
von dem oberften kunftwiffenfchaftlichen Leiter
gemeinfam mit den betreffenden Vertrauens-
männern der einzelnen Bezirke auf weitausge-
 
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