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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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8. Heft
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Friedeberger, Hans: Die Ausstellung der freien Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0318

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DIE AUSSTELLUNG DER FREIEN SEZESSION

Von HANS FRIEDEBERGER

Man würde es nicht wiffen, daß dies die erfte Äusftellung einer neu errichteten
Gefellfchaft ift, wenn man es nicht auf der Ankündigung läfe, und wenn man es
nicht vielleicht daraus erriete, daß es in Äußerlichkeiten fehr programmatifch zugeht, vom
Plakat angefangen, das ein grünes Reislein zeigt, welches aus dem Stumpf eines ab-
geftorbenen Baumes emporftrebt, bis zu der Anordnung, die in den Mittel- und Haupt-
saal die ringenden Talente in kunterbuntem Durcheinander gerufen hat, wie denn über-
haupt die Anordnung manchmal etwas wunderlich geraten ift. Aber fonft unterfcheidet
fich die Äusftellung eigentlich nicht wefentlich von den früheren, die die alte Sezeffion
an diefer Stätte zu veranftalten pflegte, und felbft auf die hiftorifchen Rückblicke hat
man auch diesmal nicht verzichtet. Diefen Rückblick vermittelt in erfter Reihe die
Sammlung des verdorbenen Direktors Julius Stern, und wenn auch die Abficht zu-
nächft darauf ging, einen treuen und tätigen Förderer der Sezeffion zu ehren, fo bildet
doch diefer Saal zugleich etwas wie ein Ehrendenkmal und eine Huldigung für die
impreffioniftifche Generation, deren Werke hauptfächlich in der Sternfchen Sammlung
vertreten find. Die franzöfifche Linie repräfentieren eine Porträtfkizze vorzüglicher
Qualität von Manet, ein fehr fchöner Piffarro, ein Sisleg, drei fehr reife Monets, ein
außerordentlich gutes Stilleben Cezannes, ein Renoirfcher Akt, Werke von Berthe Mo-
rifot, Degas, Bonnard, Vuillard, D’Espagnat, Rouffel, Maurice Denis, und, von den
Führern einer neuen Generation, Gauguin, van Gogh, und Picaffo mit einem Bilde
feiner Frühzeit. Was von der deutfchen Abteilung ausgeftellt ift, fpricht noch lauter
für die Fähigkeit des Befißers, bei befcheidenem Bildumfang auf befte Qualität zu
halten. Die Liebermannfchen Bilder find alle vorzüglich gewählt, vor allem die Kaifer
Friedrich-Gedächtnisfeier in Köfen, deren an Menzel gemahnende Haltung das gemeinfam
Berlinifche beider Meifter betont, und der Junge mit Pferd am Strande. Von Trübner
würde man freilich gern ein bezeichnenderes Stück fehen, während bei Slevogt die hohe
Qualität des Bildes vergeffen läßt, daß es doch nur eine Seite feiner Kunft vertritt.
Befonders gut ift die Auswahl bei Rösler, Brokhufen und E. R. Weiß, wo der Sammler
fich durchweg an charakteriftifche, zugleich aber feiten reife Arbeiten hielt. Ulrich
Hübner, Moffon, Breger, Ludwig von Hofmann vervollftändigen, nebft Plaftiken von
Rodin, Maillol und Kolbe die Auswahl aus der Sammlung.

Mit ihr geht zufammen ein anderes Hauptftück der Äusftellung, der Spazierritt im
Bois von Renoir, eine der lebten Erwerbungen Lichtwarks, die die Kunfthalle ge-
liehen hat. Es ift ein Meifterftück feiner, differenzierender und ftarker Malerei, und
dabei von einer Klaffik, wie irgend ein Velasquez.

Die dritte Stätte der Erinnerung und des Rückblickes, das Kabinett mit den Arbeiten
Meifter Thomas, entläßt den Befchauer mit geteilten Empfindungen. Es fehlt immer
noch die Äusftellung Thomafcher Werke, die feine Bedeutung für die deutfche Malerei
einmal zweifellos und eindringlich feftftellte. Wer diefe Vorführung unternehmen
wollte, könnte in diefem Kabinett wieder, wie in faft jeder Thomaausftellung, die Er-
fahrung machen, daß man aus dem fehr umfangreichen Werke die Bilder herausziehen
müßte, wie die hier ausgeftellten, meifterlichen Näherinnen von 1868, Porträts von der
guten Qualität des weiblichen Bildniffes von 1870, vor allem aber diejenigen ganz ein-
fachen und fachlichen, dabei durchaus ernften, felbftändigen und ftimmungsvollen Land-
fchaften, von denen hier nur die allerdings außerordentlich fchöne und faft großartige
„Pferdefchwemme“ von 1885 Kunde gibt. Es ift fchade, daß auch in der Kollektion
der Sezeffion die Bilder überwiegen, mit denen fich der Meifter auf die Gebiete feiner

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