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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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8. Heft
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Friedeberger, Hans: Die Ausstellung der freien Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0319

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DIE AUSSTELLUNG DER FREIEN SEZESSION

Freunde Böcklin und Marees wagte; hier wird er fchwächlich, weil die formende Gewalt
nicht ftark genug in ihm ift, um den fentimentalifchen Intereffen Fleifch und Blut zu
verleihen. Sonft forgen noch einige verftreute Bilder von Marees, Leibi, Victor
Müller, eine heilige Familie von Uhde, und ein wundervoller früher Trübner (Blick
aus dem Fleidelberger Fenfter) dafür, daß die Sezeffion ihre Ahnen nicht vergißt.

Will man nun von dem gegenwärtig-lebendigen Teil fprechen, fo wird es gut fein,
zuerft die Gefamthaltung der Ausftellung feftzuftellen. Sie ift keine fehr einheitliche.
Die Werke der jüngeren Generation, die den großen, überzeugenden Eindruck machen,
hängen nicht in der Ausftellung. Die Nauenfchen Wandbilder, die bei Caffirer zu fehen
find, hätten das ftarke Erlebnis werden können, als das erfte großartige und ent-
fchiedene Gelingen einer bisher immer nur verfprechenden Begabung. So bleibt denn
der Eindruck ein fchwankender, was fich dadurch verftärkt, daß eine große Zahl bereits
befeftigter Talente wieder fuchen gegangen ift, und fich aufs Experimentieren verlegt
hat. Einige fchöne Überrafchungen gibt es freilich auch dabei. Weißgerber hat ein
fein empfundenes und vorzüglich gemaltes Bild gefchickt, das ein recht feines Refultat
der vielfachen Verfuche darftellt, denen auch er in den lejjten Jahren verfallen war.
Der junge Partikel läßt in feinen neuen Landfchaften die Farbe aufglühen und drängt
die Form ftärker zufammen, bringt aber auch hier Löfungen, die zum Teil früheres
übertreffen. Der Graphiker Lachenmeyer überrafcht mit zwei feinen, an Slevogt ge-
fchulten Bildchen, und Max Rappaport mit einer kräftigen, malerifch fehr differen-
zierten Halbfigur einer Schlafenden. Endlich verblüfft in der kleinen Kollektion von
E. R. Weiß das Bildnis der Bildhauerin Renee Sintenis. Bei ihm, der über eine etwas
indifferente kunftgewerbliche Gefchmackskultur nicht recht hinauskam, nimmt man zum
erften Male die Spuren eines ftarken Erlebniffes wahr. Was fonft von den Jüngeren
da ift, hebt fich nicht über das Gewohnte hinaus. Pascin verdient auch mit diefer
Kollektion alle die Lobfprüche, die er gelegentlich feiner Kollektivausftellung vor kurzem
erhielt, ein Freilichtbild von Jacob Nußbaum und ein feines, malerifch fehr tüchtiges
Blumenftilleben von F. von Freyhold müffen erwähnt werden. Walther Bondys
Porträts find recht gut, wenn auch das höchfte Leben fehlt, die Bilder von Klemm
bringen nichts Neues. Ulrich Hübner, Kramftyk, Kardorff, Otto Hettner (er er-
fcheint mit einem hübfchen Stilleben nicht bedeutfam genug), ein neuer Mann Werner
Heufer mit kräftigen, zufammengehaltenen Kompofitionen, forgen für ein gutes Niveau.
Auguft Mackes kleine Bilder laffen nur fehr feiten feine Kunft fpüren und auch
Pechftein ift mit einem Figurenbild in den rötlichen Tönen feiner letzten Aktkompo-
fitionen nur fehr nebenbei vertreten.

Rösler hat wieder einen glücklichen Anlauf genommen, ln der Landfchaft „Ab-
hang“ ift es endlich gelungen, die neue Farbenfülle mit der Wucht feiner früheren
Bilder zu verbinden. Brockhufen gerät aber immer mehr in eine nur aufgeregte,
innerlich aber fpekulativ-kühle Art hinein. Ebenfo ift Beckmann diesmal nicht glück-
lich gewefen. Er ift wieder feinem Lieblingsproblem nachgegangen, und hat verfucht,
bewegte Maffen farbig zu difziplinieren, ohne daß es ihm doch gelungen wäre. Seine
Straße fällt auseinander, man ift gezwungen, Einzelheiten abzulefen, ohne den großen
Rhythmus zu fpüren. Auch Meid war nicht erfolgreich. Der feine Erzähler vergißt
hier die Erkenntnis, die in feiner Graphik lebt, und Werke, wie die Gefchichte vom
Reichen Mann und vom armen Lazarus fcheitern daran, daß die Elemente der Legende
verzettelt werden, und das Stilleben und die Epifode darin mehr bedeuten, als das
Motiv der Erzählung. Problematifch wirken auch Berneis, Mefek und Degner.

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