Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

DOI Heft:
[Heft 23/24]
DOI Artikel:
Denkmalpflege
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0696

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DENKMALPFLEGE

DENKMALPFLEGE
DIE ERHALTUNG DER BEL-
GISCHEN KUNSTDENKMÄLER

Geheimrat Prof Dr. Clemen, der Konfervator
der Rheinprovinz, ift mit der befonderen Begut-
achtung der gefährdeten Baudenkmäler in Bel-
gien betraut worden. Aus feinem Bericht über
die gemeinfam mit Geh. Rat von Falke ausge-
führten Unterfuchungen teilen wir folgendes
mit: Das wichtigfte ift das Gefamtergebnis:
Nirgendwo auf belgifchem Boden find unerfet}-
liche architektonifche Werte zugrunde ge-
gangen, kein großes Monument der ßandrifchen
und brabantifchen Kunft ift vernichtet, ln keinem
Falle find durch die Befchießungen oder Feuers-
brünfte Seßungen oder Senkungen, Riffe in
Mauern oder Gewölben entftanden, fo daß die
völligeWiederherftellung überall ohne Schwierig-
keiten vom technifchen und konfervatorifchen
Standpunkt ftattfinden kann. Ja noch mehr,
überall können die Schäden mit relativ geringen
Mitteln befeitigt werden. Für die erfte provi-
forifche Sicherung durch Eindeckungen, Schlie-
ßung der Fenfter u. a. ift bereits Vorforge ge-
tragen. Die Linie der Zerftörungen führt an
der Maaß, von Lüttich nach Brüffel, auf das
Schlachtfeld um Antwerpen und über die Rück-
zugslinie der Verbündeten nach Weften. Ver-
hältnismäßig litten am meiften unter den bel-
gifchen Städten Löwen, Mecheln, Lier und Di-
nant. Löwen hat den fchmerzlichrten Verluft
in ganz Belgien zu tragen: den Brand der Uni-
verfitätsbibliothek. Da keinerlei Sicherheitsein-
richtungen getroffen waren, fo konnte man die
Bibliothek nicht mehr retten, nachdem einmal
die Nachbarhäufer brannten. So ging der große
Bücherfaal mit feinen Schäßen an Büchern und
Handfchriften und feiner barocken Äusftattung
fowie die barocke Holztreppe verloren. Da-
gegen find das Mauerwerk des gotifchen Unter-
baues (die ehemalige Tuchhalle) fowie das ba-
rgcke Obergefchoß mit den beiden Giebeln gut
erhalten. In dem fchmalen Streifen vom Stadt-
zentrum bis zum Bahnhof, den die Feuersbrunft
verheerte, wurden die Dächer der Peterskirche
vom Feuer verzehrt, der hölzerne, gefchieferte
barocke Vierungsturm mit dem Glockenfpiel
ftürzte zufammen, dagegen blieben der Haupt-
turm, der feine Spiße fdion 1606 verlor, und
die Gewölbe bis auf einige Kappen im Chor-
abfchluß unverfehrt. Das Löwener Rathaus ift
dank der Aufopferung des deutfchen Komman-
danten völlig erhalten geblieben.

ln Mecheln ift der unvollendete Turm von
St. Romuald bei der wiederholten Befchießung
von deutfcher und belgifcher Seite von Schrap-

nellfchüffen getroffen worden, und auf der Süd-
feite der Kirche haben vier Granaten begrenzte
Schäden angerichtet; meiftens find Fenfterteile
getroffen und ab und zu die angrenzenden
Mauerteile in Mitleidenfchaft gezogen. Bei den
Fenftern handelt es pch nur um Arbeiten nach
1850. Auch an der Liebfrauenkirche find nur
begrenzte Schädigungen durch Schrapnells und
eine Granate zu bemerken, wie denn überhaupt
an beiden Kirchen die Befchädigungen in keiner
Weife die Stabilität des Baues gefährden. Am
ehemaligen Rathaus haben zwei Schüße unbe-
deutende Spuren hinterlaffen, und am gegen-
überliegenden malerifchen Schepenhuis ift ein
Ecktürmchen glatt weggeriffen, das fich nach
dem erhaltenen Gegenftück ohne weiteres wie-
derherftellen läßt.

ln Lier hat der Turm der Gommariuskirche,
der zur Beobachtungsftation eingerichtet war,
eine große Lücke im oberften Gefchoß. Am
Langhauschor und im füdlichen Seitenfchiff find
begrenzte Zerftörungen zu konftatieren, im füd-
lichen Seitenchor ift ein Maßwerkfenfter zer-
ftört. Die Glasfenfter des 15. und 16. Jahr-
hunderts haben hauptfächlich durch den Luft-
druck gelitten. Der koftbare fpätgotifche Lettner
ift unverfehrt erhalten. Die Jefuitenkirche hat
durch den Brand das Dach verloren, Orgelbühne,
Hochaltar und rechter Seitenaltar find vernichtet,
die Gewölbe dagegen haben gehalten. An bei-
den Gebäuden find Sicherungsarbeiten im Gange.
Das Rathaus mit dem Beffroi, die gotifche Häufer-
gruppe dahinter und die Faffade des Brouwer-
huis mit den benachbarten barocken Faffaden
pnd unverfehrt erhalten, ln Dinant haben die
Gewölbe der Liebfrauenkirche gut gehalten.
Nur das Dach, der Helm des barocken Haupt-
turmes und die Orgel im nördlichen Querfchiff
pnd verbrannt. An der Nord- und Weftfeite
find die meiften Scheiben durch die Hiße ge-
fprungen. Herftellungsarbeiten pnd eingeleitet,
der Gottesdienft ift bereits wieder aufgenommen.
Die übrigen Schäden an den Bauwerken des
nördlichen Belgiens find geringfügiger Natur,
ln Dendermonde iß bei dem neunmaligen
Bombardement durch Deutfdie und Belgier die
Liebfrauenkirche nur an dem 1912 vollendeten
Turmhelm befchädigt. Das Rathaus, das nach
einem Umbau von 1740 im 19. Jahrhundert goti-
fierend erneuert worden war, ift völlig ausge-
brannt, doch find die ftarken Mauern mit den
Giebeln völlig erhalten. In Aerfchot find die
Windfänge an der Nord- und Weftfeite der Pfarr-
kirche verbrannt, aber das Innere, vor allem
der überreiche fpätgotifche Lettner ift auch hier
erhalten. In Aloß pnd an der Martinskirche
die Spuren von Schrapnells und im Chorumgang

664
 
Annotationen