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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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11. Heft
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Der Kunstmarkt - Von den Auktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0456

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DER KUNSTMÄRKT — von den Auktionen

Bevorftehende Auktionen

LONDON Meffrs. Sotheby kündigen für
den 25. und 26. Juni den Verkauf der Haupt-
ftücke der berühmten Wilton Houfe-Bibliothek
des Earl of Pembroke an, falls bis dahin
kein befriedigendes Angebot für den en bloc-
Kauf der zum Verkauf beftimmten 211 Partien
einläuft. Da Bibliophilen großen Stiles gegen-
wärtig in England mehr als dünn gefät find,
könnte ein folches Angebot nur von „drüben“,
von Amerika her kommen. Auf jeden Fall dürften
wohl die meiften und feltenften Schüße diefer
alten und mit wahrer Liebe zufammengebraditen
Sammlung den Weg übers Waffers antreten
und den kürzlich von Mr. Huntingdon erftandenen
Werken aus der Bibliothek des Herzogs von
Devonfhire folgen. Als Grund für den nicht
ganz überrajehend kommenden Verkauf — vor
einiger Zeit ging das Gerücht, der edle Earl
wolle gar das „Wilton-Diptychon“, das be-
rühmtefte Stüde britifcher Malkunft aus dem
14. Jahrhundert, das für Richard II. gemalt wor-
den war, an einen Dollarkönig losfchlagen —
wird natürlich wieder die radikale Gefeßgebung
— die Erbfchaftsfteuer — angeführt, die es den
Beßkern von Kunftwerken unmöglich mache,
ihre Sammlungen weiter intakt zu erhalten. Da-
bei hat die Regierung ausdrücklich in ihrem
diesbezüglichen Gefeß eine Klaufel eingefügt,
daß gegen gewiffe Garantien des Nichtverkaufes
ufw. Kunftwerke von der Steuer befreit werden
können. Aber der Grundfaß noblesse oblige
ift in punkto Kunft und Kunftpflege längft auf-
gegeben, und fo veräußert jeßt ein Nachfolger
jenes „unvergleichlichen Brüderpaares“, des 3.
und 4. Earl of Pembroke, denen die erfte Folio-
ausgabe Shakefpeares zugeeignet ift, und des
8. Earl of Pembroke(1656—1733),Thomas Herbert,
der die meiften Schüße der Bibliothek zufammen-
gebracht hat — er war ein wahrer Liebhaber der
Künfte und Wiffenfchaften und fügte den Wilton-
kollektionen auch die Gemälde der italienifchen
Schule hinzu; auch lebte er, wie es heißt, mehr
wie ein primitiver Chrift als ein Großer diefer
Welt und trug fchlichte Kleidung, was heutzu-
tage um der Kunft willen freilich kaum noch
ftattfinden foll — die bedeutenden auf ihn ver-
erbten, mit vielen Affoziationen verknüpften
Werke; und das Befte, das man erhoffen kann,
ift, daß fich wenigftens ein großzügiger Lieb-
haber findet, der ße zufammen erfteht und ihr
Verftreutwerden in alle Winde verhindert. Aus
den zahlreichen wertvollen Werken, von denen
der forgfältig bearbeitete Katalog eine Reihe wert-
voller Illuftrationen bietet (2'/8 Schillinge), können
hier nur wenige angeführt werden. Da find zu-

nächft fünf Blockbücher: Die Apocalypfe, die viel-
leicht aus Nürnberg oder aus der Nähe Bambergs
ftammt, Zeit ca. 1460, ein vollftändiges Exemplar;
die erfte xylographifche Ausgabe der Ars ffio-
riendi; eine Biblia Pauperum; die zweite latei-
nifche Ausgabe des „Speculum Humanae Salva-
tionis“, vor 1471, und eine niederländifche Über-
feßung des „Speculum“. Weitere Stücke ßnd:
acht Caxtondrucke; „Rationale Divinorum offi-
ciorum“, von Fuft und Schoeffer 1459 gedruckt;
das „Catholicon“ des Joannes Baibus, im folgen-
den Jahre in Mainz gedruckt; eine große Zahl
früher klaffifcher Drucke, darunter 19 von Nicolas
Jenfon in Venedig. Unter den Handfchriften
ragt ein franzöfifches Stundenbüchlein auf Perga-
ment hervor, das aus dem fpäten 15. Jahrhundert
ftammt. Es ift auf das herrlichfte ausgemalt
und weift neun vollfeitige und 37 kleinere Minia-
turen auf. Falls der en bloc-Verkauf nicht ftatt-
ßndet, darf ein großer Tag erwartet werden, da
z. B. ein Exemplar der Apocalypfis im Huth-
verkauf £ 1200 und eine „Ars Moriendi“ im
gleichen Verkauf £ 1500 eintrugen, und die
Pembroke-Exemplare diefen überlegen ßnd.

Vom 29. Juni bis 3. Juli wird, ebenfalls bei
Meffrs. Sotheby, der zweite Teil der großen
Stichefammlung des Mr. A. C. Normann
verkauft werden. F.

MÜNCHEN Am 15. und 16. Juni ßndet in
der Galerie Helbing eine Antiquitäten-Auktion
ftatt, deren erften Teil eine Sammlung alter,
deutfeher Zunftfachen aus Wiener Privatbefiß
aus dem 17., 18. und der erften Hälfte des 19.
Jahrhunderts bildet. Befonders zu erwähnen
wäre ein hübfeher Zinnhumpen der Böttcherzunft
aus dem Jahre 1722, ein Zinnpokal der Melber
und Miller Hofs, ein Zunftzeichen der Schneider
aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts und eine
kleine Truhe der Weißgerber zu Weilheim in
intereffanter Bemalung. Zunftbücher, Zunft-
ordnungen, Lehr- und Meifterbriefe, Siegel und
Urkunden, darunter ein Beftätigungsbrief für
„die bürgerliche Meifter des Paret-, Sachen- und
Strümpfftrickerhandwerks“ in Brünn von 1728
ßnd von archivalifcher Bedeutung. Der über-
wiegende Teil der Gegenftände ftammt aus
Württembergifch-Schwaben und Schießen.

Der zweite Teil des Kataloges feßt fich aus
Antiquitäten verfchiedenen Befißes zufammen.
Neben Steingut und Steinzeug zeigt fich haupt-
fächlich Fayence in reicher Auswahl. Aus dem
Porzellan heben wir Wiener Tiergruppen, Meiß-
ner Gefchirr und oftafiatifches Porzellan hervor.
Unter den zahlreichen Arbeiten aus Metall ßndet
fich eine Louis seize-Standuhr, ein paar Giran-

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