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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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4. Heft
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Biermann, Georg: Drei unbekannte Hauptwerke des Barent Fabritius
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0142

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DREI UNBEKÄNNTE HÄUPTWERKE
DES BÄRENT FÄBRITIUS

Mit 6 Abbildungen Von GEORG BIERMANN

Durch einen glücklichen Zufall ift der bekannte Parifer Kunfthändler Charles Brunner
in den Befiß dreier innerlich eng verwandter Schöpfungen des Holländers Barent
Fabritius gelangt, die nicht nur das an fich keineswegs umfangreiche Lebenswerk diefes
bisher noch immer zu wenig gekannten Meifters ungewöhnlich glücklich vervollftändigen,
fondern auch ihrem Sujet nach ziemlich einzig im Rahmen der holländifchen Kunft-
gefchichte daftehen: Es handelt fich um Verfinnbildlidiungen dreier biblifdier Gleich-
niffe, die fchon im Geifte holländifcher Kirchenbilder des 17. Jahrhunderts als befonders
vielfagende Dokumente erfcheinen. Glücklicherweife find bei diefen Schöpfungen Qualität
und Erhaltung gleich einwandfrei; denn die Bilder waren urfprünglich im Jahre 1663,
als B. Fabritius längft in Leiden anfäffig geworden, für den Kapitelfaal der Haupt-
kirche diefer Stadt gemalt worden und das erklärt zugleich ihr langgeftrecktes Format.
An ihrem urfprünglichen Beftimmungsort find fie nachweisbar bis zum Jahre 1850 ver-
blieben und feither im Privatbefiß gewefen. Nachdem fie zuerft ein Herr van Leeuwen
befeffen, gingen fie 1856 in den Befitj eines Monfignore van Heukelum über, der zu-
gleich Konfervator des erzbifchöfliehen Mufeums von Utrecht war und die „Swanen-
burg“ bewohnte, wo Bode fowohl wie Bredius 1881 die Bilder gefehen haben. Der
letztere hat zwei Jahre fpäter über diefe wertvollen Dokumente bereits in einer hollän-
difchen Zeitung gefchrieben und fie ebenbürtig neben die wenigen hinterlaffenen Bilder
des früh verftorbenen Carel Fabritius geftellt.1

I. DAS GLEICHNIS VOM VERLORENEN SOHN

Bei allen drei Werken des B. Fabritius ift die Leuchtkraft des Kolorits, die Bredius
zunächft an die Schulung des Künftlers durch die Venezianer denken ließ, auffallend.
Aber diefe Tatfache weift für mein Empfinden mehr auf die hiftorifch längft be-
gründete Nähe Rembrandts als auf die dem Holländer doch wohl fehr entlegenen Ein-
flüffe von der Lagune aus hin. Als ich vor einigen Monaten Gelegenheit hatte, an
Ort und Stelle diefe Werke zu befichtigen, habe ich — ohne noch die Signatur gelefen
zu haben — zuerft an Eeckhout oder gar Nicolaus Maes gedacht; denn der Eindruck ift
fo reftlos holländifch in der Art, wie das warme Licht zum Teil golden und leuchtend
gegen die kälteren Partien der Hintergründe fteht — wie das warme Rembrandtrot
oft bei Barent Fabritius bis zu einem kreidigen Rofa verloren — die malerifchen Haupt-
akzente in die Bilder trägt, daß den Befchauer eigentlich keinen Augenblick fremd-
ländifche Reminiszenzen überkommen können.

Tgpifch aber ift bei allen Bildern die kompofitionelle Auflöfung der Erzählung in
drei oder vier legendarifch felbftändige, malerifch troßdem zufammengefaßte Szenen,
für die gleich das erfte vollfignierte und 1660 datierte Werk (Größe 94,5X286 cm)
überaus charakteriftifch ift. Auf diefem find auf der linken Bildhälfte der Abfchied des
Sohnes vom Vater — mit der echten Rembrandtfigur des Alten und dem an Th. de
Kegfer gemahnenden Windfpiel — und im Hintergründe die Prafferei des Jünglings
kompofitionell in eins verbunden. Fortfehreitend ift die folgende Epifode vom Sau-
hirten ähnlich in den Hintergrund verfemt, während die Landfchaft ungeachtet der durch

1 Vgl. dazu die eben erfchienene Brofchüre von F. de Miomandre, „Trois chefs-d’oeuvre de
Barent Fabritius. Paris 1914. Charles Brunner.

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