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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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8. Heft
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Biermann, Georg: Bilder aus der Sammlung Tramm in Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0305

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BILDER HUS DER SHMMLUNG TRÄMM

IN HANNOVER Von GEOBG BIERMANN

Mit einem Titelbild und 12 Abbildungen

Der kunftpnnige Stadtdirektor von Hannover, in dem die ftädtifche und vor allem
die mufeale Kunftpßege einen ebenfo willensftarken wie zielbewußten Förderer
befißt, i[t felbft ein Amateur aus Herzensneigung, der fich aus innerem Bedürfnis her-
aus mit zahlreichen Werken alter und neuer Kunft umgeben hat. Wird man die
Sammlung Tramm auch mehr als Zufallsfchöpfung denn als eine bewußt programma-
tifche Leiftung zu werten haben, fo geht doch durch die mehr als 100 Bilder, die
heute den Beftand der Galerie ausmachen, ein beftimmter einheitlicher Zug, der deut-
lich genug die Vorliebe und Gefchmacksrichtung des Befißers weiß. Neben den Bildern
älterer Richtung, unter denen die Holländer überwiegen, find es, abgefehen von einigen
modernen franzöfifchen Werken (Piffarro, Daubigng, Laprade, Guillaumin), in der über-
wiegenden Mehrheit die Schöpfungen klaffifcher deutfcher Malerei, die den eigentlichen
Inhalt der Sammlung ausmachen und ihr künftlerifches Relief beftimmen. Der Kunft-
freund Tramm empfindet fich in feiner eigenen abgeklärten und an Goethe gereiften
Weltanfchauung künftlerifch jenen Meiftern am unmittelbarften verwandt, auf denen
der Ruf der deutfchen Malerei im lejjten Drittel und um die Wende des 19. Jahr-
hunderts vor allem gegründet ift, den Altmeiftern Schuch, Leibi, Hagemeifter auf der
einen, den Liebermann, Slevogt, Thoma auf der anderen Seite. Daß daneben auch
eine Anzahl jüngerer, vorwiegend Münchner Künftler zu Worte kommen, ift felbftver-
ftändlich, wenn fie auch im Rahmen des Ganzen an Bedeutung den Genannten nach-
ftehen müffen und für den Sammler felbft weniger fgmptomatifch find. Dagegen ift
es wichtig zu wißen, daß z. B. ein Künftler wie Wilhelm v. Diez, dem eine kommende
Gefchichtsfchreibung unbedingt eine führende Stelle im Sinne der modernen Kunft zu-
geftehen muß, ein befonderer Liebling diefes Amateurs ift, und ähnlich der junge Len-
bach, deßen wertvollfte Jugendwerke heute das ftädtifche Mufeum in Hannover durch
Tramms Verdienft befißt, auch in diefer Galerie charakteriftifch zu Worte kommt. Alles
in allem aber geben diefe Namen doch mehr eine allgemeine Gefchmacksrichtung denn
ein feftumfchriebenes Programm an. Sie find Qualitätsmeßer und Ausdruck einer künft-
lerifchen Gefinnung, die in ihren Erwerbungen immer in erfter Linie das malerifche
Erlebnis und die Perfönlichkeit fucht. So ift es denn auch kein Zufall, wenn der lange
verkannte Altmeifter von Ferch, Karl Hagemeifter fogleich bei feiner Entdeckung das
Temperament diefes Sammlers entzündete, fo zwar, daß Tramm heute zweifellos mit
das Befte fpeziell von den älteren Gemälden des Künftlers befißt, und wenn ihn ähn-
lich in jüngfter Zeit die ergreifende Problematik einer Paula Moderfohn gefangen nahm,
von der man in Jahren einmal grundlegend wird fprechen müßen, wenn der zeitliche
Abftand zu den fundamentalen Stilwandlungen unferer jüngften Vergangenheit größer
geworden ift und die eigentlichen Vorausfeßungen zu diefem neuen künftlerifchen
Willensausdruck klarer erkannt werden können als es heute vielleicht der Fall ift. Dann
wird es an der Zeit fein, das fchmale Werk jener feinfinnigen, auf niederfächfifcher
Scholle aufgewachfenen, früh dahingegangenen Künftlerin hiftorifch zu werten und den
jungen Frühling diefer faft fakralen und herben Kunft wie die erfte Verheißung einer
noch fernen Vollendung anzufprechen. Für die künftlerifche Vitalität unferes Sammlers
ift es jedenfalls ungemein bezeichnend, daß er fogleich in ein feftes inneres Verhältnis
zu dem Schaßen Paula Moderfohns getreten und von dem wenigen noch Erreichbaren
dem Beftande feiner Sammlung einige ungemein perfönlidhe Proben einverleibt hat.

Der Cicerone, VI. Jahrg., 8. Heft. 20

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