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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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8. Heft
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Hagelstange, Alfred: Adolf Fischer †
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0321

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ADOLF FISCHER f

Das hätte ich nicht gedacht, als ich am höch-
ften Feiertage diefes nun verebbten Lebens
Adolf Fifcher als neuen Kölner Kollegen be-
grüßen durfte, daß ich ein Halbjahr fpäter ihm
fchon kollegiale Äbfchiedsgrüße über das jäh
geöffnete Grab nachzurufen gezwungen fein
würde. Noch fehe ich ihn vor mir, wie er mir
beim Beginn fein Urlaubs, den er im Intereffe
der Werkbund-Äusftellung fchon jeßt angetreten
hatte, frifch, fprühend, ftroßend, voller Lebens-
drang und Äktionskraft, kühn, hell und wach
wie immer die Hand drückt. Und nun kommt
unvermittelt am zweiten Ofterfeiertage aus Meran
die telegraphifche Kunde: „Fifcher tot“.

Und doch, diefes Leben mußte im Sturm ge-
nommen werden, plötzlich, unvermittelt, ohne
langwierige Minierarbeiten einer tückifchen
Krankheit; denn es war felbft Sturm undRaufch
und Braufen: Fifcher war ein echter Feuergeift,
einer von den wenigen, in denen zeitlebens die
heilige Flamme der Begeiferung brannte, die
heute leider ach fo tief im Kurfe fteht und doch
die Quelle aller großen Taten ift; kein ausge-
laugter Menfch, ohne jede Blafiertheit, von froher
Frifche, wie ße Kindern eigen, die in jedem
neuen Tag ein neues Wunder grüßen.

Fifcher ift nur 57 Jahre alt geworden, aber er
hat ein Leben voll folcher Intenßtät gelebt, daß
es einem Jahrhundert gewöhnlicher menfchlicher
Durchfchnittsarbeit wohl die Wagfchale hält. Er
war eine echte Kampfes- und Entdeckernatur,
kühn und voll Tatkraft, aufrecht wie ein Baum,
ehrlich und zuverläßlich bis ins Mark und deutfch
in jeder Fafer feines Herzens; kein fentimental-
befchaulicher Menfch, ein echtes Eroberernaturell,
das immer wach und fpähend auf dem Poften
ftand; immer gerüftet, immer fchlagfertig, immer

bereit, zu neuen Taten auszuholen. „Der Hieb
ift die befte Parade“ war fein Wahlfpruch, und
er wartete nie ab, bis feine Gegner zum Angriff
Vorgehen konnten, fondern trat mit offenem
Vifier jedem einzelnen entgegen und fchlug ihm
mit leichter Gefte die Waffe aus der Hand.
Strotzend von Lebensenergie pflegte er witzelnd
zu fagen: „Mich hält der Haß meiner Feinde
aufrecht, ich werde einmal 80 Jahre alt.“

Daß dies Leben auf der Mittagshöhe feiner
Arbeit brach, ift tragifch; immerhin, es hätte
kaum noch größere Schäle von Erfolgen in den
Hafen bringen können. Sein ragendes Grab-
und Ehrenmonument, das Mufeum für oftafla-
tifche Kunft, wird für immer Zeugnis ablegen
von der raftlos uneigennützigen Lebensarbeit
diefes Mannes, deffen Name in Köln ebenfo
unvergeffen fein wird, wie der eines Ferdinand
Franz Wallraf.

Erft Fifchers Stiftung hat uns die Relativität
europäifcher Kunftbegriffe, die uns bis dahin faßt
als etwas Äbfolutes dünkten, gelehrt durch den
Vergleich mit einer nicht minder gewaltigen
künftlerifchen Kultur eines noch immer zu frem-
den Erdteils. Schöpfungen wie das Fifcherfche
Mufeum find wie weniges fonft geeignet, dem
europäifchen „Erwachfenenhochmut“ in Sachen
der bildenden Kunft (Worringer) einen Dämpfer
aufzufeßen. Möge des feltenen Mannes Tod
Anlaß werden, daß auch die großen und kleinen
Neider, die er im Kulturbezirk öftlich der Elbe
hatte, fich mit uns zufammenfinden in der ge-
recht anerkennenden Würdigung eines folch im-
pofanten Lebensbaues, zu deffen Aufrichtung
noch etwas mehr gehört als ein bißchen an-
ftudierter Fachkenntniffe.

Alfred Hagelftange.

Der Cicerone, VI. Jahrg., 8. Heft. 21

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