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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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2. Heft
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Bangel, Rudolf: Die Kunst auf dem internationalen Markt, II.: Bilder aus der Kollektion Preyer im Haag
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0067

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DIE KUNST ÄUF DEM INTERNATIO-
NALEN MARKT II.

BILDER ÄUS DER KOLLEKTION PREYER IM HÄÄG

Mit 7 Abbildungen, davon 2 auf Tafeln Von RUD. BANGEL

Der bekannte Haager Kunfthändler A. Preg er ift nicht nur kaufmännifcher Unter-
nehmer, fondern auch Liebhaber und Sammler dabei. Mit gutem Gefchmack und
ficherem Blick hat er eine ausgewählte Kollektion altholländifcher Bilder zufammenge-
bracht, von denen er mir geftattete, die erftklaffigen Perlen feiner Sammlung der breiten
Öffentlichkeit zugängig zu machen. Die Bilder find in Deutfchland noch nicht ver-
öffentlicht, verdienen es aber, in weiteften Kreifen bekannt zu werden, da ihnen
durchweg hohe Qualität innewohnt. Man ift an ihrem Befißer diefe hohe Qualität
gewöhnt. Vor nicht langer Zeit noch hatte Preger das vorzügliche Porträt Rembrandts
— feine Mutter darftellend — im Mauritshuis (Haag) ausgeftellt (heute im Befitj eines
bekannten weftdeutfchen Sammlers), und jetjt wieder ift ein hervorragendes Frühbild
diefes Meifters, der „Federfchneider“, in feinem Ausftellungsraum zu fehen, das in
Heft 23 des Cicerone unter „Vermifchtes“ bereits befprochen wurde.

„Ihr Bild von Frans Hals ift eines der beften und wohlerhaltenften, das ich kenne“,
fchrieb Haufer nach der Reftaurierung des Männerporträts (Abb. 1) an Preger. Bode,
Hofftede de Groot und Martin äußerten fich ähnlich, und Karl Voll, der den Band „Hals“
für die Klafpker der Kunft übernommen hat, ließ eine Photographie davon anfertigen,
um eine Abbildung in feinem Buche bringen zu können. Und in der Tat ift kein Wort
der Anerkennung zu viel bei diefem Gemälde. Es ift eines jener Meifterwerke von
reinftem Ton, von kühlften Harmonien und „gefchilderd als uit de vlottende reflets van
tin“, wie Jan Veth fie befchrieben hat. Der Dargeftellte trägt einen hohen fchwarzen
Hut mit fdilappem Rand, einen fchwarzen Mantel von Leinen und Samt, die Rechte
hält den Handfchuh, der kleine Kragen mit Quafte ift von gedecktem Grauweiß. Un-
übertroffen wie die Ausführung ift die Charakteriftik des Porträtierten. Es ift ein ganz
durchtriebener Junge, der zwar viel auf das Dekorum nach außen hin hält, der es aber
doch fauftdick hinter den Ohren hat. Nur leicht wird das Schaufpielerhafte diefes ge-
fchmeidigen Rackers mit feiner fchnuppernden Nafe betont, leicht nur, denn es muß
ein feriöfes Porträt bleiben, repräfentativ bis in die Fingerfpitjen. Dennoch erkennt
man auf den erften Blick den zgnifchen Egoiften in ihm, dem der Schalk aus den
Augen blitjt. Das Porträt ift ein tgpifches Beifpiel für die treffende pfgchologifche
Auffaffung des Haarlemer Meifters. Die zielbewußte Wiedergabe fcheint nicht allmäh-
lich aus allerlei Gefchehniffen zufammengefügt, fondern plötjlich, in einem intuitiven
Augenblick gefchaffen worden zu fein. — Die Zeit der Entftehung dürfte das Jahr 1655
fein, da die Arbeit die Schöpfung eines gereiften Geiftes und einer vollkommen durch-
gebildeten Hand ift. Die „Vorfteher des St. Elifabeth-Krankenhaufes“ von 1641 in
Haarlem find technifch längft überholt, die des „Altmännerhaufes“ von 1664 dagegen
noch nicht erreicht. Nicht weit entfernt fteht der „Mann mit dem Schlapphut“ von
1660 in Kaffel, fehr nahe der fogenannte „Descartes“ aus der Sammlung Gumprecht-
Berlin, der in der Kleidung, der ganzen Haltung, felbft in einzelnen Gefichtszügen auf-
fallend an das hier befprochene Bildnis erinnert.

Wie anders Rembrandt in der Frühzeit ein Porträt auffaßte, zeigt das Bildnis
eines rothaarigen Mädchens bei Preger (Abb. 2). Es ift bezeichnet und 1633 datiert,

1 Vgl. „Cicerone“ Heft 9, Jahrg. 1913.

Der Cicerone, VI. Jahrg., 2. Heft. 4

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