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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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5. Heft
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Stoermer, Curt: Die internationale Ausstellung in Bremen
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DIE INTERNATIONALE AUSSTELLUNG IN

BREMEN

Sie unterfcheidet fich wefentlich von den großen
Jahresausftellungen. Sie ift nicht das Pro-
dukt einer Künftlervereinigung, fondern troß
aller Modernität das Werk eines Gelehrten,
des fcheidenden Leiters der Kunfthalle. Es fteckt
alfo ein organifatorifcher Wille dahinter, der
fich aber als Selbftzweck nicht fo aufdrängt, daß
man das reine Schauintereffe verliert. Es ift
noch ein gut Teil Kunterbunt da, und noch bleibt
manches Werk uns beziehungslos und unver-
ftändlich.

Delacroix hat wirklich noch frifche Be-
ziehungen zu unferer Epoche. Prachtvoll find
die beiden Kartons aus Bremer Privatbefits, der
Triumph des Bacchus und der Triumph der
Aphrodite. Mehr noch gibt die Studie zu einer
Pieta, ein Werk feiner meifterlichen Koloriftik,
die das Seelifch-dramatifche mit dem Dekorativ-
ewigen verficht. Orgiaftifcher ift Sardanapal,
intellektueller der Daniel in der Löwengrube,
bei dem der Engel und das Helldunkel an Rem-
brandt denken laffen, der nur viel unmittelbarer
ift. Ein wundervolles Märchenbild ift König
Rodrigo in der fchlichten Geftalt, groß, fresko-
artig und primitiv.

Gericault ift typifch vertreten. Er fteht uns
nah, weil er fo fubjektiv abfeitig blieb: man
muß ihn ganz unbeteiligt fchäßen. Anders ragt
Daumier in unfere Zeit. Das bedeutfamfte hier
ift die Serenade.

Aus der Impreffioniftenzeit ift befonders ein
ganz frühes Stilleben von Renoir bemerkens-
wert. Vom Sepiagrunde hebt fich das Blumen-
gebilde mit ftarker Betonung des Rot. Wir er-
halten fchon die reinfte Form des Impreffionismus.
Cezanne ift mit feiner klaffifchen braun-grünen
Periode vertreten, Manet mit dem Abfinth-
Trinker und Faure als Hamlet. Monets frühe
und fpäte Zeit ift ja bekannt.

Liebermann wurde mit Sisleg und Pif-
farro zufammengehängt. Das ift ein guter Ge-
danke. Doch zweifellos ift er von allen der
Unmittelbarfte und darum für uns der Größte.
Dann finden wir die Nachimpreffioniften Vuil-
lard, Bonnard und Rouffel. Sie find in
diefem Eindruck recht fchwach, beinahe dekadent.

Trübner zeigt fich höchft konfequent als der
klare Stilift, auf den fein Weg von Anfang an
hinwies. Corinth dagegen hat viel Stimmung
nötig. Auf manchen figürlichen Bildern gibt es
zu viel leere Plätje, unverarbeitete Motive. Als
Maler des rein Menfchlichen aber ift er eminent
groß, wie uns hier die „Wöchnerin“ zeigt. Am
beften aber ift das kleine Blumenftück. Kalch-
reuths Winterland fchaft ift doch etwas zaghaft.

Von CURT STOERMER

Munch fehen wir fehr vielfeitig. Aber feine
wuchtige Größe erträgt keinen Nachbarn. Er
muß für fich fein, wie wir ihn damals im Kölner
Sonderbund fahen. Das technifch fcheinbar Un-
fertige berührt fo menfchlich. Durch das Un-
gekünftelte kommt er uns nah. Wie tief graben
die paar Änfäge feines Pinfels ins Leben. Sie
bringen nicht nur eine eigene Form, auch ein
eigenes Innenleben zum Ausdruck und ohne
Willkür.

Als Karl Hofer noch in den Spuren Hans
v. Marees ging, hatte er Linie. Das war echte
Monumentaikunft. Er ift heute zu neuen Er-
fcheinungen gekommen, er ift trotj vieler Fein-
heiten ßacher geworden oder, wie er will, de-
korativer. Wir haben eine große Anzahl neuer
Bilder hier. Leider fehlen die beften. Das find
meiner Änficht die, welche Szenen des neuen
Teftamentes darftellen. Ein andrer, der auch für
das Bedürfnis nach Monumentaikunft und eine
Architektur fchafft, die wir erft in den Anfängen
befißen, ift Benno Berneis. Neben dem Reiter
am Meer ift der Drachentöter durch reichere
Kompofition ausgezeichnet, dann find die Formen
bewußt hölzern und freskoartig gruppiert. Nichts
wirkt in diefem Raum fo zwingend wie diefer
Gotiker. Stil finden wir in ihm, wiffen aber
noch nicht, inwieweit er fruchtbar werden wird.

Beckmanns Ausgießung des heiligen Geiftes
ift, als reine Malerei betrachtet, eines der wert-
vollen Stücke der Äusftellung. Beckmann hat
den Vorteil, noch nicht unbedingt eingeübt zu
fein auf eine Technik. Er fucht den Ausdruck
und diefer ift in der Farbe befonders fchwer
genug erkauft. Darum ift ihm, der fich feiner
Modernität fo bewußt ift, ein Mißerfolg wie die
Titanik-Senfation nicht allzu fchwarz anzukrei-
den. Zum neuen Bilde hat er eine Menge daran
gelernt. Im Mittelpunkt fpielt ßch da die er-
greifende Szene ab. Alles ift intenfiv gemalt
vom Gelb bis zum Violett. Durch zwei gigan-
tifche Tortürme ftrömt die bunte Menge heran.
Mit extatifcher Gebärde erhebt ßch ganz vorn
der Mann in Rot.

Bei den neuen Schweizern ift eigentlich nur
Hodler eine Offenbarung, nicht im großen Bilde:
Der Tag, fondern in feinen Gebirgslandfchaften.
Diefe in ihrer gemeifterten, intuitiven Form
geben den erhebenden Eindruck des Raumes.
Die andern Schweizer Maler haben noch längft
nicht Segantini überwunden, troßdem ihre Bilder
äußerlich an van Gogh anklingen. Vielleicht
kommt gerade daher diefer Eindruck.

Brockhufen hat ein barockes Stilleben ge-
fchickt. Man könnte an einen Äusfchnitt aus

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