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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft 20/21
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Schwandt, Ernst: Haftung des Verkäufers für Echtheit im Kunst- und Antiquitätenhandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0653

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HAFTUNG DES VERKÄUFERS FÜR ECHTHEIT
IM KUNST- UND ÄNTIQUITÄTENHÄNDEL

Wenn in den folgenden Ausführungen von
der Echtheit von Kunftgegenftänden und
Antiquitäten die Rede ift, fo ift damit nicht die
Echtheit des Materials gemeint, z. B. daß die
als golden verkaufte Vafe tatfächlidi aus Gold
befteht, fondern die Echtheit der Herkunft oder
der Urheberfdiaft, z. B. daß das verkaufte Ge-
mälde ein echter Rembrandt, die Geige eine
echte Stradivari ift. Nach den allgemeinen Rechts-
grundfäßen, daß ein Kaufvertrag wegen Irrtums
über wefentlidie Eigenfchaften der verkauften
Ware angefochten werden kann und daß der
Käufer einer mit erheblichen Mängeln behafteten
Sache berechtigt ift, Rückgängigmachung des
Kaufes oder Minderung des Kaufpreifes zu ver-
langen, müßte an fich der Verkäufer einer An-
tiquität, eines alten Gemäldes oder fonftigen
Kunftwerkes auch dafür haften, daß der ver-
kaufte Gegenftand tatfächlich von dem beim
Verkauf angegebenen Meifter oder aus der an-
gegebenen Kunft- oder Kulturperiode ftammt.
Es ift jedoch mit dem Kauf und Verkauf der-
artiger Sachen ein eigen Ding. Während es
fich z. B. in zweifelsfreier Weife feftftellen läßt,
ob eine Schale aus Gold ift oder nicht, ift die
Entfcheidung der Frage nach der Herkunft eines
antiken Gegenftandes nicht immer unbedingt
ficher zu beantworten. An die Stelle objektiver,
jeden Zweifel ausfdiließender Kriterien treten
häußg Erwägungen wiffenfchaftlicher und tech-
nifcher Art, die oft nur zur fubjektiven Über-
zeugung des Einzelnen, nicht aber zur völligen,
allgemeinen anerkannten Gewißheit führen. Dies
ift der Grund, weshalb in Rechtswiffenfchaft und
Rechtfprechung die Neigung befteht, die Haftung
des Verkäufers von Antiquitäten ufw. gegenüber
jenen allgemeinen Grundfäßen einzufchränken.

Das Oberlandesgericht in München hat fich in
einer Entfcheidung vom 1. Dezember 1909 aus-
führlich mit diefen Fragen befdiäftigt. Es han-
delte pch dabei um den Verkauf einer unftreitig
aus dem Mittelalter ftammenden Zeichnung ohne
Signatur, die der Verkäufer als eine Schöpfung
Lukas Cranachs d. Ä. ausgegeben und der Käufer
als eine foldie gekauft hatte. Nach Kaufabfchluß
und Übergabe beftritt der Käufer die Echtheit mit
der Behauptung, daß das Kunftblatt von Beham
herrühre und deshalb minder wertvoll fei. Das
Gericht verneinte die Haftung des Verkäufers. Die
Gründe, die es dafür anführt, find im wefentlichen
die oben angegebenen; betont wird noch, daß
die Frage des Urfprungs — ähnlich wie eine
fonftige wiffenfchaftliche oder technifche Streit-
frage — jederzeit neu zur Diskufßon geftellt und

Von GerichtsafTerror EHNST SCHWÄNDT

die Echtheit durch eine wiffenfchaftliche Beftrei-
tung felbft dann in Zweifel gezogen werden
könne, wenn die Mehrzahl der Kenner den
Gegenftand für echt halte. Es muß alfo, wie
auch im Staudingerfchen Kommentar zum Bür-
gerlichen Gefeßbuch (7./8. Auflage, 1912, Bd. 1,
S. 463) anerkannt wird, für den Handel mit alten
Bildern und fonftigen Antiquitäten eine Ver-
kehrsfitte des Inhalts angenommen werden, daß
die Haftung des Verkäufers für die Echtheit
grundfäßlich ausgefchloffen ift. Diefe Verkehrs-
ßtte dürfte — die angeführte Entfcheidung läßt
dies allerdings ungefagt — nicht bloß für Ge-
fchäfte von Kunft- und Antiquitätenhändlern
untereinander oder des Publikums mit folchen
Händlern beftehen, fondern es dürfte ihr eine
ganz allgemeine Bedeutung zukommen, fo daß
ße auch bei Verkäufen unter Privatleuten von
Hand zu Hand ohne Vermittlung eines Händlers
Geltung haben müßte; denn die obigen Er-
wägungen, die zur Befchränkung der Haftung
des Verkäufers führen, treffen in allen der-
artigen Fällen zu. Gleichgültig ift dabei, ob
Käufer und Verkäufer die Verkehrsfitte kennen
und ob fie im Innern die Äbficht haben, fich ihr
zu unterwerfen; nur eine vertragsmäßige Ver-
einbarung, die allerdings nicht ausdrücklich er-
klärt zu werden braucht, fondern auch aus den
Umftänden entnommen werden kann, würde die
Berückpditigung der Verkehrsfitte ausfchließen
(vgl. Staub, HGB. 9. Auß., 1913, Bd. 2, Anm. 9
zu § 346).

Die bloße Angabe der Herkunft macht fomit
den Verkäufer noch nicht für die Richtigkeit
haftbar. Dasfelbe gilt, wenn der Name des
Malers auf dem Bilde fteht und die Vertrag-
fchließenden, ohne fich darüber auszufprechen,
feine Urheberfchaft unterteilen, und noch viel
weniger kann der Käufer Änfprüche gegen den
Verkäufer erheben, wenn er ein Bild kauft, fich
dabei denkt, es fei das Werk eines großen
Meifters, dies aber wohlweislich verfchweigt
und fich die Annahme hinterher als falfch her-
ausj'tellt. Anders ift es dagegen, wenn der Ver-
käufer die Richtigkeit feiner Angabe über die
Herkunft zugefichert oder, mit anderen Worten,
die Garantie dafür übernommen hat. In diefem
Falle kann der Käufer den Kauf wieder rüde-
gängig machen, wenn ihm der Nachweis ge-
lingt, daß die Angabe des Verkäufers nicht
richtig war. Die Garantie braucht übrigens
keineswegs ftets mit ausdrücklichen Worten er-
klärt zu fein, wenngleich dies meift der Fall
fein wird. Auch ein ftillfdiweigendes Garantie-

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