Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (6.1914)

AUSSTELLUNGEN o DENKMALPFLEGE

Änftatt deffen bereitet nun die genannte Ge-
felirchaft eine pofthume Schau von Werken des
früh verdorbenen, talentvollen Malers Borif-
fow-Muffatow vor. P. E.

WIEN Die umfangreiche Herbftausftellung
der Künftlergenoffenfchaft — fie Umfaßte
600 Werke — glich in allem Wefentlichen ihren
zahlreichen, auch an diefer Stelle oft genug
charakterifierten Vorgängern. Abermals erübrigt
fich jenfeits der lokalen Intereffenfphäre die Feft-
ftellung etwaiger Niveau fchwankungen der Iängft
bewährten Mitglieder, die zudem ihr zähes Be-
harrungsvermögen bei dem einmal Erreichten
vor allen tiefergehenden Wandlungen bewahrt.
Wenn hinter ihnen die verfchwindend kleine
Zahl meift jüngerer Künftler, deren ehrliches
Streben hier ftets anerkannt wurde, diesmal
völlig zurückzutreten fchien, fo machten fich dafür
um fo unliebfamer jene anderen bemerkbar, die
in ebenfo äußerlichen wie oberflächlichen Kom-
promiffen den Anfchluß an „modernere“ Rich-
tungen gefunden zu haben glauben.

Den erfreulichften Eindruck der Ausftellung
vermittelten die Bilder Max von Poofch’.
die viel von der zarten und innigen Art feines
Lehrers Rumpler durchfühlen laffen. Die früh-
lingshaften Landfdiaften des Künftlers mit ihren
leife genrehaften Zügen erfüllt jene Andacht und
Liebe zum Kleinen, die die beften Altwiener
Meifter befeelt hat. Die übrigen der Herbftaus-
ftellung angegliederten Kollektivausftellungen
entbehrten dagegen mehr oder minder der tieferen
Berechtigung. W. V. Krauß und H. Larwin
bewähren fich aufs neue als gefchickte Routiniers,
deren oberflächliche Eleganz zumal angefichts
einer größeren Anzahl von Werken über den
Mangel an innerem Gehalt nicht hinwegzutäufchen
vermag. Eine Gedächtnisausftellung Ed. R. von
Lichtenfels, der an der Wiener Akademie durch
lange Jahre eine einflußreiche Lehrtätigkeit ent-
faltet hat, kann kaum sub specie aeternitatis
betrachtet werden. Die Landfchaften diefes
fpäten Epigonen der Wiener Steinfeld- und der
Düffeldorfer Lefflng-Schule wirken bei allem
ehrlichen Naturftudium heute nicht weniger
anachroniftifch als vor elf Jahren, da mehr als
200 zur Verfteigerung beftimmte Arbeiten des
greifen Künftlers an derfelben Stelle vereinigt
waren. Eine kleinere Gedächtnisausftellung ehrt
das Andenken Friß Pontinis; der fgmpathifche
junge Künftler, der auf tragifche Weife aus dem
Leben gefchieden ift (f. Cic. 1912, S. 529), hat
wohl in feinen fchwermütigen Landfchafts-Ra-
dierungen fein Beftes gegeben. —

Die Wahl der zu Gaft geladenen auswärtigen
Künftler fchien vollends dem Zufall unterworfen.

Sonft hätte man kaum den großen Gemälden J. E.
Blanche’s, deren bunte Farbigkeit etwa an billige
Orient-Bazars erinnert, Ehrenpläße in dem neu-
erbauten Hauptfaal des Künftlerhaufes zuweifen
können, ln einen Raum, der fonft meift kleine Ra-
dierungen und Skizzen beherbergte, hatte fich gar
ein Werk Hodlers verirrt, die Studie eines
„Mähers“, unter den mir bekannten Faffungen
des wuchtigen Motivs wohl die fchwächfte. —

An diefe Herbftausftellung fchließt fleh in ge-
wohnter Weife die Ausftellung des Äquarel-
liftenklubs der Genoffenfchaft, die foeben
eröffnet wird. * *

*

Das „Volksheim “ veranftaltete auch in diefem
Jahre eine durch ganz kurze Zeit geöffnete Weih-
nachtsausftellung, die fich der Porträt-Ausftellung
des vorigen Jahres (f. Cic. 1913, S. 69) würdig
anreihte. Wiederum wußte der Anreger der
Ausftellung, Dr. Max Glaß, den Volksbildungs-
zwecken des Inftituts entfprechend, durch die
Wahl des Themas „Das Sittenbild“ in ge-
fchickter Weife dem gegenftändlichen Intereffe
entgegenzukommen. Den Kern der Ausftellung,
die auch heuer ausfchließlidi der Opferwilligkeit
des reichen Wiener Privatbefißes zu danken
war, bildeten diesmal naturgemäß die Werke
der Niederländer des 17. Jahrhunderts und der
Altwiener Meifter, unter denen fich auch einige
Gemälde von beträchtlicher künftlerifcher Qua-
lität befanden. „ *

*

Von kürzlich eröffneten Ausftellungen find zu
nennen: Die Ausftellungen moderner fran-
zöfifcher Meifter (Impreffioniften) der Galerien
MIETHKE und ARNOT und die 5. Ausftellung
der „Vereinigung bildender Künftlerinnen
Öfterreichs“. K. R.

DENKMALPFLEGE

MAINZ Nach den neueften Unterfuchungen
ift die Gefährdung des Mainzer Domes doch
beträchtlicher, als man bisher fürchtete. Infolge
der Anlage des neuen Mainzer Längskanals hat
fich das Erdreich unter dem Dom bedeutend
gefenkt, und außerdem ift der Pfahlroft, der den
Grund des Oftturmes bildet, fo völlig verwittert,
daß die Grundmauern hier keinen Halt mehr
haben. Soll Schlimmeres verhütet werden, fo
muß unverzüglich eingegriffen werden. Unter
diefen Umftänden fcheint es bedenklich, daß die
Mittel einer Wiederherftellung, nach der „Bau-
welt“, durch eine Lotterie aufgebracht werden
follen. Der Dom hat ähnlich fchwere Schäden
fdion früher gut überftanden, fo als ein ein-
dringender Wafferarm den Mittelpfeiler der

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