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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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12. Heft
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Bombe, Walter: Die Bramante-Ausstellungen in Mailand und in Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0476

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DIE BRAMANTE-AUSSTELLUNGEN IN MAILAND UND IN FLORENZ

fophenbilder vorftellen, die er am und im Palazzo del Podeftä zu Bergamo gemalt hat,
die Bronzefiguren nachahmenden Giganten an Cafa Fontana in Mailand und andere
zugrunde gegangene Werke Bramantes. Ein meifterhafter Akt ift fein Chriftus an der
Säule, in Chiaravalle, von dem mehrere Wiederholungen exiftieren, darunter eine, nir-
gends erwähnte, im Palazzo Pitti zu Florenz. Neben dem ernften, aber immer etwas
trockenen Vincenzo Foppa, der ihn in der Lehre von den Proportionen des menfch-
lichen Körpers unterwiefen haben foll, find Melozzo da Forli mit feinem hohen Sinn
für Schönheit und dramatifdies Leben und Andrea Mantegna mit feiner plaftifchen
Schärfe die geiftigen Ahnherren diefer Malwerke.

Die künftlerifche Bedeutung Bramantes bafiert auf feinen Bauten. Schon in Ur-
bino hatte Luciano de Laurana in dem jungen, hochbegabten Künftler den Sinn für
das geweckt, was wir architektonifchen Stil nennen. In der Lombardei gab ihm die
Freude der dortigen Baukünftler am dekorativen Schmuck weitere Anregungen. Die
zahlreichen altchriftlichen und frühromanifchen Bauwerke, vor allem San Lorenzo in
Mailand, haben dann feinen Anfchluß an die römifche Antike vermittelt, ohne daß die
Florentiner Renaiffance je dazwifchen getreten wäre.

Am Anfang feiner Mailänder Tätigkeit ftehen die Arbeiten an S. Maria presso
San Satiro, wo die Enge der Straße dem Architekten die Anlage eines Chores unmöglich
machte. Bramante half fich hier in genialer Weife, indem er einen Scheinchor fchuf,
der durch eine in Relief gegebene Perfpektive die Vorftellung der Vertiefung des
Raumes erweckt, ein Baugedanke, den fpäter die Künftler des Barock wieder auf-
gegriffen haben. Die achteckige Sakriftei mit ihrer Kuppel und Oberlicht, unten mit
Nifchen und oben mit einer Galerie, fchließt pch in der Erfindung an altchriftliche Bau-
werke an und übertrifft alles, was die Architektur bis dahin an folchen Kuppelbauten
geleiftet hatte, durch die mächtige Gefchloffenheit der Wirkung.

Das zweite große Bauwerk Bramantes in Mailand ift der Chor, die Kuppel und
der Querbau von S. Maria delle Grazie. Das Außere des Chores bis zur Höhe der
Äbfiden, das Innere bis zum Tambour, die fich über vier Tragebögen erhebende
Zwickelkuppel, der kleine Kreuzgang und vielleicht auch die Sakriftei gehen auf Ent-
würfe des Meifters zurück. Hier fpricht fich der echte Geift bramantesker Formen-
fchönheit aus.

Diefe überaus reiche und vielfeitige Tätigkeit Bramantes in der Lombardei illuftriert
der Conte Francesco Malaguzzi-Valeri in der von ihm in einem der leßten Säle der
Brera arrangierten Ausftellung von Gipsabgüffen, Zeichnungen, Plänen und Photo-
graphien nach ficheren und nach umftrittenen Werken des großen Baukünftlers.

In den erften Vitrinen der Ausftellung wird uns Bramante als Zeichner, als Maler
und als Stecher vorgeführt. Da finden wir ein koftbares Stück unedierter Malerei des
Meifters in einem Bildnismedaillon aus Bergamo; die Friefe der Cafa Fontana (jetp
Silveftri) in Mailand find fo aufgeftellt, daß fie gut mit denen des Caftello Invorio ver-
glichen werden können, wie der machtvolle Chriftus als Schmerzensmann in Chiaravalle
mit Suardis Bild beim Conte Lucchino del Maino in Mailand. Neben dem bekannten
nur in zwei Exemplaren erhaltenen Stiche eines Tempelinneren mit der Signatur: „BRA-
MANTUS FECIT IN MLO“ hat die Wiedergabe eines lombardifchen Gemäldes der
Galerie zu Straßburg, das im Hintergründe einen Teil diefes Stiches reproduziert, Auf-
hellung gefunden.

Dann folgen in chronologifcher Anordnung neue Detailaufnahmen von S. Maria
presso S. Satiro (1482—1487), von der Kuppel und von der Laterne, vom Querfchiff

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