Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (6.1914)

AUSSTELLUNG ALTHOLLÄNDISCHER GEMÄLDE

Kontrafteffekten der dunklen Geftalt gegen die grauen und weißen Fließen, [eine
Porträts des Dirck Pietersz. Pers, Buchdruckers und Dichters und deffen Ehefrau (Moes,
Ik. Batava II, 5862) mit dem feinen Helldunkelfpiel und der pfgchologifchen Tiefe des
Ausdruckes in den Augen find fchöne und charakteriftifche Beifpiele feiner zuweilen
hohen Kunft. Ein wenig bekannter Bildnismaler ift Maerten Lengele. Er wird von
1656--65 in der Haager Malergefellfchaft erwähnt und ftarb 1668 in Paris. Sein
Schwager war Jacob v. Loo, der Amfterdamer Porträtift, der fpäter ebenfalls nach
Paris zog, wo er 1670 ftarb. Deffen Regentenftücke (z. B. in Haarlem) zeigen den
Einfluß des fpäten B. v. d. Helft und den Rembrandts. Auch Lengeies großes, heute
leider verfchollenes Schütjenftück, mit zehn lebensgroßen Figuren, von 1660, wird das
Studium diefer beiden Meifter verraten haben. Denn die wenigen bekannten Bilder des
Künftlers, das Porträt eines Mitgliedes der Familie Beaufort, Bez.: Lengele fecit A° 1650,
und das Bildnis einer Dame im Haager Gemeente-Mufenm, wie das Porträt eines
jungen Mannes mit langen braunen Locken bei V. de Stuers (Kat. Nr. 9, e) laffen eine
gewiffe Verwandtfchaft mit J. v. Loo erkennen. Letztgenanntes hat einen leichten fran-
zöfifchen Einfchlag. Von dem Feinmeifter Gerard ter Borch ift ein allerliebftes
Bildnis auf der Ausftellung. Eine alte Dame mit wundervoll feinem weißen Kragen
auf blauem Stuhl. Äußerft peinlich und fauber und dennoch großzügig behandelt. Ein
Nachahmer des ter Borch, Johan van Roffum, der um 1654—73 tätig war und von
dem [ich bezeichnete und 1662 73 datierte Bilder in Amfterdam, Wien und London

(Koll. Deutfch 1890) befinden, lehnt [ich auch in dem Bildnis des Profeffor Henricus
Borneus (dat. 1668) bei V. de Stuers mit feinen dunkel violetten Tönen und der ganzen
Anordnung der Kompofition eng an fein Vorbild an. Es ift ficher von Intereffe, derartige
zweifellos bezeichnete Bilder von Epigonen in öffentlichen Ausheilungen zu finden. Thomas
de Keg fers monogrammierten und 1658 datierten hl. Simon, den Apoftel, ein kleines
faft rembrandtartiges Bildchen von vorzüglicher Qualität (Kat. Nr. 9, n) und den Männer-
kopf mit dem bleichen graugelben Inkarnat, der im Katalog (Nr. 9, m) als Carel Fabritius
bezeichnet ift, der aber viel eher an Jan Lievens und deffen Kinderköpfchen im Mufeum
Bogmans zu Rotterdam erinnert, während andere auch an Barent Fabritius dachten,
wollen wir nur kurz erwähnen, um zur Betrachtung der Genrebilder überzugehen.

Jan Steens und Jan van Gogens Pferdemarkt zu Rijswijk wurde fchon oben
erwähnt. Von dem Leidener Charaktermaler ift noch ein zweites Werk zu fehen: „Die
Werke der Barmherzigkeit“, auf einem langgezogenen Breitbild dargeftUlt und in feiner
kleinfigürlichen Kompofitionsanlage ein wenig an den Lehrer, Nicolaes Knüpfer, er-
innernd. Die Farben find ziemlich matt, einige Tgpengeftalten fprechen für den ganzen
Steen. Die „alte Frau in der Küche“ (bez. und 1654 dat.) ift eine tgpifche fein-
pinfelige, unter G. Dous Einfluß entftandene Arbeit des Leidener Q. G. Brekelenkam.
„Das Innere einer Bauernfchänke“ mit vielen fröhlichen zechenden und tanzenden
Paaren von Cornelis Bega erinnert weniger an deffen Lehrer A. v. Oftade, als viel-
mehr an Arbeiten feines Haarlemer Stadtgenoffen J. M. Molenaer. Zwei kleine Reiter-
gefechte von Ant. Palamedes (dat. 1631, Kat. Nr. 9, p und q) fowie eine „Mahlzeit
im Freien“ von Dirk Hals (bez. und 1624 dat.) feien mit dem H. v. Steenwijck (?)
zugefchriebenen „Kirmeßaufzug“ nur kurz angeführt.

Bei den Landfchaften dürfen wir länger verweilen, denn es find wirklich tüchtige
und intereffante Stücke darunter. Die Haarlemer Schule wiegt vor. Jan van Gogen,
der auf diefe einen fo großen Einfluß ausgeübt, tritt mit einer Kompofition auf, wie
fie fpäter P. de Molijn, Corn. Decker, R. van Vries faft unverändert übernahmen, einer

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