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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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[Heft 23/24]
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Schmidt, Paul Ferdinand: Die Ausstellung alter Meister aus Leipziger Privatbesitz im Kunstverein zu Leipzig: (15. November bis 15. Dezember 1914)
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0691
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DIE AUSSTELLUNG ALTER MEISTER IM KUNSTVEREIN ZU LEIPZIG

Mehrere Sdiladitenbilder: Das fchönfte, mit einer fabelhaften rofa Fahne, von Sal.
Ruysdael (Slg. Dr. Naumann); von E. van de Velde ebenfalls eine Reiterfchlacht (Slg. Zöllner).

Die Rembrandtfchule ift verhältnismäßig ausgiebig vertreten. Hauptftück: Abraham
und die drei Engel von A. de Gelder (Slg. Dr. Naumann), in der Auffaffung, daß Gott
Vater felber einer der drei ift, würdig dominierend; ein Bild, erfüllt von der goldenen
Atmofphäre Rembrandts, mit einem köftlichen Stilleben, aber einem fehr unbedeutenden,
von hinten gefehenen und tatarenhaft-fklavifchen Abraham. Von Gelder auch ein
fchöner Ahasver (Slg. Dr. Lilienfeld). Ein Mädchenbildnis von G. Flinck zeigt fchon
ftarken vlämifchen Einfchlag, ein Männliches Bildnis von Bol(?) (Slg. P. Meger) gleicht
faft einer Parodie auf Rembrandt; wogegen ein Kinderbildnis von Lievens (Slg. Frau
Thieme) im Geift Rembrandts und dabei wohl am felbftändigften lichtüberflutete, weiß-
blonde Flaare in feidenweicher Malweife gibt.

Die VIamen find nur durch eine Furt mit Staffage von Siberechts (Slg. Dr. Lilien-
feld) würdig vertreten.

Bis zum 18. Jahrhundert reichte das Intereffe nicht ganz, doch foll eine zweite Aus-
heilung Ergänzungen bringen. St. Jeaurat: Der eingebildete Kranke (Slg. Plantier), eine
geiftreiche Skizze von großer Lebendigkeit und malerifcher Fülle. Boilly (Familienbild,
Slg. P. Meyer) vertritt die Schule Greuzes in glatterer Ausführung. Dagegen haben
die beiden Bruftbilder einer Frau und eines Mädchens (Slg. Platky) gar nichts mit der
„Art des Greuze“ zu tun, ich möchte am eheften an einen Deutfchen glauben, nach-
dem man gefehen hat, was für unberechenbare Originale hier immer wieder auftauchen,
und an Edlinger erinnern, ohne fie mit diefem nun etwa identifizieren zu wollen. Auch
Hogarth, deffen Name genannt wurde, kommt nicht in Frage.

Von Guardi drei köftliche Stücke (Slg. Dr. v. Harck u. a.).

Deutfche Maler des 18./19. Jahrhunderts: eine Landfchaft von J. H. Wueft (Slg.
G. Thieme), welche die dunkle Schwermut diefes ausgezeichneten, aber wenig bekannten
Schweizers, des Zeitgenoffen Ferd. Kobells, in kleinem Format darftellt. Man möchte
die Aufmerkfamkeit der Sammler gern auf diefe beiden, faft gleichaltrigen, Landfehafter
des 18. Jahrhunderts lenken (W. ift 1741, K. 1740 geboren), welche zu den Eroberern
unferer modernen deutfchen Kunft gehören und mit manchen andern wie Aberli, Rau-
fcher, Dorfmeifter, Küfter, Ludwig Heß die Fundamente für den Bau unferer Land-
fchaftskunft gelegt haben.

Zwei treffliche klare Bildnis-Paftelle von Joh. Fr. Aug. Tifchbein (Slg. P. Meyer);
zwei nur dekorative, weil zu groß geratene Lancrets, von Dietrich nachempfunden (er
kanns auch beffer in kleinerem Format [Slg. Frau Dr. Schulz]); ein hübfeh gemalter aber
(wegen des Dargeftellten) unbedeutender Graff (Slg. Plantier): (teilen die Deutfchen des
18. Jahrhunderts vor; eine Landfchaft mit Apoll unter den Hirten von J. A. Koch (Slg.
Brockhaus), mäßig gemalt aber von herrlicher Wirkung und Klarheit, weil von er-
lefener Zeichnung; eine (jeßt nicht mehr ganz aktuelle) Anficht des Rathausplaßes von
Löwen, haarfcharf wie eine Vorlage zum Reftaurieren, von D. Quaglio (gl, Slg.), und
eine mit B. T. monogrammierte Szene aus Schillers „Pegafus im Joche“ — die am
eheften wohl nach Stuttgart verfeßt werden könnte — repräfentieren „Klaffizismus und
Romantik“ mit der ihnen nicht gebührenden Magerkeit.

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