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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 9.1917

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[Heft 13/14]
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Biermann, Georg: Von Darmstadt - Weimar und Köln, [1]: zur Abwehr
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https://doi.org/10.11588/diglit.26456#0267
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VON DRRMSTKDT

„Was in Darmftadt, was in Weimar
und Köin vorgekommen ift, darf nicht
mit dem Mantel der Koiiegiaiität zu-
gedeckt werden-—"
W. von Bode in derKunftchronik Nr.32.
Der Generatdirektor der kgt. preußifchen Kunft-
fammiungen Herr Bode hat in der oben er-
wähnten Nummer der „Kunftchronik" für den
Zufammenfchtuß der deutfchen Kunfthiftoriker
zu einer Fachgenoffenfchaft piädiert und in der
ihm eigenen, fattfam bekannten Art unter dem
Dedcmantet fachticher Begründung perföntichen
Angriffen Raum gegeben, deren Zieie jedem
Kenner der deutfdien Kunftverhättniffe kiar zu-
tage tiegen. Der Hinweis auf gewiffe Vor-
kommniffe in den Städten Darmftadt, Weimar
und Köin, die Herr Bode wohi mit Abßcht näher
zu kennzeichnen untertäßt, hat mit den daran
geknüpften Foigerungen den Charakter einer
öffentiidien Beieidigung, die demnädift dem Ur-
teii des Richters unterftehen wird. Aufgabe
diefer Zeiten fott es deshatb nur fein, zu den
Ausführungen Bodes im attgemeinen Stettung
zu nehmen und fachtich darzutegen, inwieweit
die erwähnten Vorgänge die Behauptungen des
Generatdirektors der kgt. preußifchen Kunft-
fammtungen ftüßen oder nicht.
Zur Erkiärung der fpezietten Taktik Bodes
muß vorausgefchickt werden, daß ßch die Kunft-
potitik der drei genannten Orte feit Jahren von
den Feffein der immer fehr offenpchttich zu-
tage getretenen machtpotitifchen Ambitionen
des Bertiner Generatdirektors freigehatten hat.
So hat Großherzog Ernft Ludwig von Heffen
feit dem Tage, wo er der jungen deutfchen an-
gewandten Kunft in Darmftadt eine Freiftatt er-
richtete, fetbftändig und bewußt die Leitung
der ihm anvertrauten Kunftpftege in die Hand
genommen, ßch — wie die teßte Jahrhundert-
ausftettung im Reßdenzfchtoß bewiefen — dabei
auch einmat einer Aufgabe zugewandt, die weit
überden fonßübtichenRahmen hinausgingundein
nachhattiges Ereignis im Sinne hiftorifcher Kunft-
erkenntnis der eigenen Vergangenheit unferes
Votkes schuf. Daß man in Bertin den groß-
herzogtichen Ptänen von Anfang an nicht hotd
geßnnt war und fpeziett Bode bis zum teßten
Moment attes verfucht hat, zum mindeften das
Zuftandekommen jener Ausftettung zu erfchweren,
wird durch Tatfachen bewiefen. Erft wenige
Monate vor der Eröffnung der Ausftettung ift
Bode dem fühtbaren Druck feiner vorgefeßten
Behörde gewichen und hat einige der ihm
unterftettten Sammtungen für die Befchickung
jener Ausftettung freigegeben.

WEIMAR UND KÖLN
ZUR ABWEHR
Auch in Weimar iß nach gewiffen Erfahrungen
in den teßten Jahren der Wunfch nach größerer
Setbftändigkeit und Unabhängigkeit von Bertin
immer iebendiger geworden, zumat auch der
dortige Großherzog an der Entwicktung der
künßterifchen Dinge im Geifte einer großen
Übertieferung tebhaft interefßert ift und den
beften Witten hat, das Vorhandene fowoht mu-
feat wie rein künftterifch den Forderungen einer
neuen Zeit anzugieichen. So ift denn auch die
Berufung des teßten Mufeumsdirektors ohne die
Zuftimmung der attmächtigen Bertiner Exzetienz,
ja in direktem Gegenfaß zu den von ihr emp-
fohtenen Kandidaten erfotgt.
Und endtich Kötn. Eingedenk einer macht-
votten Tradition, die diefe Stadt auch künß-
terifch zur Metropote des gefamten deutfchen
Weftens ftempeit und in ktarer Erkenntnis weit
gefteckter Ziete und rein organifatorifcher Auf-
gaben, die der Kunftpftege gerade nach dem
Kriege beim Wiederaufbau eine erhöhte Be-
deutung geben, hat der Magiftrat von Kötn die
Berufung eines Generatdirektors befchtoffen,
deffen Perföniichkeit attes eher ats die freund-
tiche Sympathie des Bertiner Generatdirektors
für ßch in Anfpruch nehmen möchte. Die man-
nigfachen Erfahrungen, die man in der näch-
ften Nachbarfchaß gemacht, wo Bodes Empfeh-
iung vor Jahren ausfehtaggebend gewefen war,
hat den Kötner Stadtvätern die Augen offen
gehatten und die Ohren den mannigfachen Zu-
ßüfterungen aus Bertin gegenüber unempfängtich
gemacht.
tm übrigen ift ja jedem Einßchtigen deuttidi
wahrnehmbar, daß das Streben der zu Setbft-
gefüht erwachten Städte, gerade künftterifch fehr
ftark auf eine Befreiung von der in Bodes
Perfon verkörperten Bertiner Vorherrfdiaft hin-
ausgeht. Städte wie Mannheim, Hamburg,
Hannover, Hatte (von Frankfurt nicht zu fprechen,
wo vor wenigen Jahren ein junger anerkannter
und gtücktich fammetnder Direktor einem häß-
tichen Angriff Bodes zum Opfer faiien fottte)
haben bewußt ihr Setbßbeftimmungsrecht aus-
geübt und fich ohne „Empfehtungen" von Bertin
fehr zum Gtück ihre eigenen verantworttichen
Direktoren gewähtt. Und nur im engen Zu-
fammenfehtuß diefer Städte (auf den ja auch
der eben in diefen Tagen neubegründete deut-
fche Mufeumsbund deuttidi hinweift) wäre auf
die Dauer den für die deutfehe Kuttur höchft
unheilvotlen in Bode verkörperten Zentrati-
fationsbeftrebungen Bertins auf mufeatem Ge-
biet zu begegnen gewefen. Je mehr aber die
Bei tiner Exzetienz ihren Einßuß fdiwinden fah,

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