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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 9.1917

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Biermann, Georg: Von Darmstadt - Weimar und Köln, [1]: zur Abwehr
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VON DARMSTADT — WEIMAR UND KÖLN

(die Gründe iiegen in der Natur der Sache und
foiien weiter unten beleuchtet werden), um fo
heftiger entbrannte in entscheidenden Momenten
ihr Ehrgeiz, frei gewordene Poften mit foichen
Kandidaten zu befeßen, die der Beriiner Kunft-
poiitik ungefähriich Schienen oder Sich doch ais
freundiiehe Trabanten des befonderen Wohi-
woiiens feiner Exzeiienz zu erfreuen hatten
oder endiidi aus anderen Gründen wie in einem
hier bereits angedeuteten Faii von Beriin ,weg-
geiobt* werden mußten. Ja es muß zu unferer
Schmadi gefagt werden, daß es eine Zeit in
Deutfchland gab, wo ohne eine Empfehiung
von Beriin kein Mufeumsbeamter bei einer Be-
werbung für irgendeinen Poften Erfoig haben
konnte. Derartige Verhäitniffe wären vieiieidit
erträgiieh gewefen, wenn man in Bode wirkiieh
den aiiwiffenden, aiifeitig gerecht urteiienden
und unparteiifch wägenden Richter hätte verehren
dürfen, den Mann, deffen überragende Kenntniffe
jedem Irrtum hätten Vorbeugen können. Aber wer
feibft einmai Trabant des Beriiner Generaidirek-
tors gewefen und fich wie der Schreiber diefer
Zeiien, einen Augenbiick gebiendet von dem Schaf-
fensdrang (nicht der Perföniichkeit), zum Diener
einer ebenfo engherzigen wie egoiftifchen Par-
teipoiitik erniedrigen konnte, weiß wie die deut-
fche Kunftpoiitik Wiiheim von Bodes in Wahrheit
befchaffen gewefen ift. Der Faii Tfdiudi und der
Faii der Fiorabüfte, diefer piumpeften Fäifchung
aiier Jahrhunderte, an die außer Bode heute
wohi in Deutfchiand kein Kenner von Ruf mehr
giaubt, ßnd noch in zu guter Erinnerung und
zu tgpifch für die Einfeitigkeit und Beschränkt-
heit der Bodefchen Intereffenpoiitik und gottiob
ift die Zeit — wie es Scheint — endgüitig vorüber,
wo junge deutfehe Kunftgetehrte zu Dußenden
im Kaifer Friedrich-Mufeum antichambrierten,
um den Kniefaii vor Exzeiienz zu tun, damit
der aiimächtige Beriiner Mufeumsdirektor nur
ja bei einer in Auspcht ftehenden Bewerbung
kein böfes Wort dazwifchen reden foiite. Die
wenig Aufrechten, die es zu Zeiten auf unferem
engeren Gebiet in Deutfchiand gab, haben Schwer
genug die Laft der Bodefchen Antipathie zu
tragen gehabt, bis ihnen eines Tages dasSchick-
fai doch Gerechtigkeit und Rehabiiitierung be-
scherte. Wenn daher heute wieder einmai Ex-
zeiienz das Wort ergreift, um die deutfehen
Kunfthiftoriker zu einer Fachgenoffenfchaft zu
mobiiifieren und gegen beftimmte Auswüchfe des
derzeitigen Kunftbetriebes Front zu machen, fo
mag, rein fachiich gefehen, der Vorfchiag ais foi-
cher wohi begründet erfcheinen, im Sinne der
Bodefchen Machtpoiitik dagegen wirkt er für
jeden Einfichtigen (die wiiifährigen Akkiamanten
aiies deffen, was von Beriin überhaupt ausgeht,

fcheiden feibftverftändiieh aus) doch nur ais Gro-
teske. Denn es darf bezweifeit werden, daß
nur die Häifte aiier feibftändigen in Deutfchiand
tätigen Kunftgeiehrten einer Fachgenoffenfchaft
beitreten möchte, hinter der man ohne große
Mühe iedigiieh einen neuen Schachzug des ftark
ins Wanken geratenen Bodefchen Einfiuffes peht.
Und es muß einmai offen bekannt werden, daß
ein großer Teii der von Bode gerügten Miß-
ftände direkt oder indirekt gerade feiner Tätig-
keit zur Laft fäiit.
Wer die Gefchichte des internationaien Kunft-
marktes in den testen zwanzig Jahren vor dem
Kriege zurückdenkt, weiß, wie auf dem Gebiete
der aiten Kunft eine unerhörte Preissteigerung
einfeßte, wie die internationaie Konkurrenz
immer fchärfer wurde und der neueinfeßende
Amerikanismus die Verhäitniffe insUnerträgiiche
gefteigert hat. Soiange noch Parifer und Lon-
doner Händier in Beriin und bei deutfehen
Sammiern ihr beftes Abfaßgebiet (feibft für dritt-
rangige Ware) hatten, fchien die Gefahr der
internationaien Konkurrenz für die deutfehen
Mufeen nicht erhebiieh und foiange fpezieii Bo-
defcheAttefte dazu nötig waren, um dem Kunft-
handei feine exorbitanten Preife zu pchern, fchien
auch die Mögiichkeit einer Meiftbegünftigung
des Beriiner Marktes gepchert. Die Sachlage
änderte fich in dem Augenbiick, ais die größere
pnanzieiie Kraft von jenfeits des großen Waffers
ais voiiwertiger und baid auch im Quaiitäts-
gefühi gieichwertiger Konkurrent auf den Pian
trat und Paris und London die eigentiiehen
Brennpunkte des internationaien Marktes ge-
worden waren. Man fchrie über die amerika-
nifche Gefahr (gerade Bode hat damais in diefer
Zeitfchrift zu der Frage Steiiung genommen,
ohne eigentiiehe Abwehrmaßregein nennen zu
können) aber pe war da und hat pch fpezieii
in den ießten zehn Jahren ais Überiegen be-
hauptet. Zwar kamen geiegentiieh in diefer
Zeit fogar noch echte Rembrandts nach Beriin,
auch geiang dem preußifchen Sammiertum immer
noch mai diefer oder jener Wurf, der der Kon-
kurrenz irgendein prominentes Stück vor der
Nafe wegfehnappte. Aber, man kann es ohne
Übertreibung ausfprechen, das Befte, was der
Markt mobiiiperte und fogar fehr viei vom deut-
fehen Kunfterbe ging nach Amerika. Auch in
diefer Zeit haben Bodefche Attefte direkt und
indirekt den Parifer Händiern dieTafchen gefüiit,
wobei für den Beriiner Generaidirektor immer
noch ein befcheidener Troft in den freundlichen
Gefchenken biieb, die die Herren X. und Y. zum
Ausgieich dem Beriiner Mufeum verehrten, in
Deutfchiand hat damais niemand die Situation
recht eigentiieh überfehen, feibft Bode nicht, der

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