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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 9.1917

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Heft 1/2
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Simon, Karl: Zwei Porträt-Medaillons von J. P. Melchior
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https://doi.org/10.11588/diglit.26456#0017

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ZWEI PORTRÄT-MEDAILLONS VON J. P.
MELCHIOR Mi* 2 Abbildungen / Von KARL SimON
Tn Frankfurter Privatbefiß befinden [ich zwei Medaillon-Porträts aus Bisquit, die mit
zumBeften gehören, was in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf diefem Ge-
biete gefchaffen worden ift und daher auch allgemeiner bekannt zu werden verdienen.
Sie ftellen dar einen Herrn, Profil links, und eine Dame, Profil rechts, alfo einander
zugewendet und offenbar Gegenftücke, mit dem gleichen profilierten Rahmen, deffen
äußerer Rundftab bei dem Medaillon des Herrn freilich ein wenig höher und kräftiger
ausgefallen ift. Die Maße find gleich; die Höhe beträgt 0,143 m, die Breite 0,108 m;
die Breite des Rahmens etwa 1 cm. Der Grund ift bei beiden punktiert. Bei dem
Medaillon der Frau fehlt vom Rahmen fowie vom Grunde ein Stück; rechts dagegen
ift der Reft einer Louis-XVl.-Schleife erhalten, deren ungefähre Form die Ergänzung
wiederzugeben fucht. Bei dem anderen Medaillon ift die Schleife völlig entfernt. Sonft
ift die Erhaltung tadellos; bei dem Medaillon des Mannes find einzelne Teile ftark
gebräunt. Die Arbeit felbft ift ausgezeichnet: die Modellierung hebt fich kräftig vom
Grunde, bei der Frau bis zu einer Höhe von 1,5 cm, bei dem Herren in der Partie
der Draperie am Arm bis faft zu 2 cm. Die Modellierung des männlichen Kopfes mit
dem feft gefchloffenen Munde ift einfach-kräftig, die der Frau mit der weicheren,
fchlafferen Haut und den ein wenig geöffneten Lippen entfprechend eingehender. Der
Mann mit der ftark zurückfliehenden Unterpartie feines Gefichtes und dem ftattlichen
Doppelkinn ift offenbar geiftig nicht bedeutend, wenn auch wohlwollend und von ge-
fundem Menfchenverftand; die Frau behäbig, aber hausbacken-gefühlvoll, mit einem
Zug der Refignation. Der — ebenfo wie bei dem Manne befonders angegebene —
Augapfel ift ziemlich hoch gerichtet und, wie dort, mit einer Vertiefung in der Mitte
verfehen.
Große Sorgfalt ift auch auf die Kleidung verwendet, fowohl bei dem Spißenjabot
des Mannes wie bei dem, ebenfo mit genauem Mufter verfehenen Haubenaufbau der
Frau, der über der niedrigen Stirn oben noch den Anfaß der ftraff hoch gekämmten
Haare erkennen läßt. Befonders reich und gefühlt ift auch die Draperie um Bruft und
Arm, die beide Male über den Rand bis zu dem abfchließenden Rundftab überfällt.
Auf den Rückfeiten ift beide Male eingepreßt die Marke A C und K. Damit werden
wir auch rein äußerlich auf die Fabrik gewiefen, auf die fonft alles deutet, auf
Frankenthal, deffen Boffierer Adam Clair fich alfo hier nennt. Der Buchftabe K ift
vorläufig noch unerklärt L
Und auch daß J. P. Melchior der Künftler der beiden Medaillons ift, kann keinen
Augenblick zweifelhaft fein. Die lebensvolle, faftige Behandlung, der große Zug in
dem Ganzen, der troß liebevollften Eingehens auf das Einzelne nicht verloren gegangen
ift, rücken dieWerkchen fofort in den Umkreis Melchior'fchen Schaffens. Charakteriftifche
Einzelheiten kommen dazu: der bei Melchior fo beliebte punktierte Grund, die fehr hohe
Erhebung des Reliefs über den Grund, die Behandlung von Einzelheiten der Kleidung
und des Haares; endlich die Anordnung der Draperie, die befonders bei dem Medaillon
des Mannes an die Art und Weife erinnert, in der fie bei den Medaillons von Goethes
Eltern auftritt: der Mantel wird von der rückwärtigen Schulter in reich verfchlungenen
Windungen nach vorn geführt; bewegter ift noch die Draperie bei der Frau. Daß
durch die Draperie die Fläche oft bis nahe dem Rande belebt wird, ift nicht feiten bei

t F. H. Hofmann: Frankenthaier Porzellan. München 1911, 1., S. 41.
Der Cicerone, IX. Jahrg., Heft 1/2 1

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