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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 9.1917

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Heft 17/18
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Lüthgen, Eugen: Die Sammlung Dr. Richard von Schnitzler in Cöln, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26456#0313

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DIE SAMMLUNG
DR RICHARD VON SCHNITZLER IN CÖLN
Mit 33 Abbildungen Von Priv. Doz. Df. Df. E. LÜTHGEN (Fortfeßung u. Schluß)
X T 7*ie ganz anders wirkt demgegenüber die kennzeichnende füddeutfche Art in der
W fchwäbifchen Heiligen mit dem Blumenkränzchen im Haar und dem mit Blumen
gefüllten Körbchen in der Hand (Abb. 16). In vielschichtiger, reichfter Mannigfaltigkeit
durchziehen die verfdhieden breiten Faltenstege das Gewand. Ein lebhaftes Spiel
des Lichtes gibt der faft allzu gleichförmigen Ruhe des Körpers eine Bewegung, die
mehr oder weniger das letzte Ergebnis einer aufs Höchfte durchgebildeten Schniß-
technik ift. Wenn diefe Heilige auch nur ganz allgemein durch den Stimmungs-
gehalt wie den Aufbau der Form an Werke des Meifters Daniel Mauch erinnert, fo
fcheint die stimmungsvolle Zartheit des Ausdrucks und das weiblich Empfindfame eines
fich hingebenden Gefühles überhaupt dem Wefen fchwäbifcher Art zu entsprechen.
Dies lyrifch-gefühlvoHe Wefen fchwäbifcher Art läßt [ich nicht verkennen. Selbft in
dem großzügigften Werke der Sammlung von Schnißler, in der bildnisgetreuen Geftalt
eines h. Georg, der wohl Augsburger Urfprungs ift, beherrfcht diefe fchwäbifche Auf-
faffung, wie ungern fie fich auch der kraftvoll männlichen Charakteristik des Ritters
fügt, die Kompofition (Abb. 17). Wenn Hans Multfcher alle Formen in Schwingende
Weichheit, in einen bewegten, klingenden Rhythmus zu tauchen unternimmt, wenn
der ältere Syrlin ganz im Gegenfaß dazu die weichen Umrißlinien der Gestalten
Multfchers zu harten ausdrucksSatten Linien werden läßt, So hat dieSer Augsburger
MeiSter beider Auffa]fung in Sich vereinigt. Er löft alle reichbewegten Formen in leicht
übersehbare Flächen auf und gewinnt dadurch die Möglichkeit, den Reichtum der
Natur zu faffen, ohne der beunruhigenden Wirkung des „quälend Kubifchen" zu ver-
fallen. Die überwiegend malerifche Wirkung wird erfeßt durch die fchärffte Charak-
teristik aller Einzelheiten. Indem fo alle unplaftifch wirkenden Darftellungsmittel be-
wußt aus der Kompofition ausgefchalten werden, vermag diefer Künftler den Eindruck
perfönlichSten Sehens, echtefter Wirklichkeitsgeftaltung zu erzwingen im Sinne einer
Selbstbewußten Freiheit des Ausdrucks, einer königlichen Würde der Haltung, die inner-
lich die Spätgotik überwunden hat, um fich ganz der edlen Ruhe und füllen Größe
zuzuneigen, die einzelnen Werken der Renaiffance — wie ein Abglanz antiker Schön-
heit — eigentümlich ift.
Die Begabung diefes Meifters befteht darin, in wenigen kräftigen Strichen, in ein-
zelnen fcharf abgegrenzten Flächen einen ausgeprägten Charakterkopf zu geftalten.
Alles, was dem Ausdruck herber Entfchloffenheit in dem Geficht dient, ift kantig und
fchroff: die kraftvolle Bewegung des Hauptes, die Umrißlinien des Kopfes, die tiefen
Einfchnitte in den hageren, fchmalen Wangen. Alles, was der Würde der in fich
felbft ruhenden Sicherheit diefes Ritters dienlich ift, erfcheint weich und gefchmeidig;
die runde Bewegung des Armes, der mit der Hand läffig, aber dennoch kampfgewohnt
das Schwert faßt, die fchöne Feftigkeit des gebogenen rechten Armes, der eine fichere
Stüße in der Lanze findet, die elaftifche Schwingung, die die Geftalt durchzieht, den
Panzer belebt und fo dem eingefchnürten Körper, troß der beengenden Rüftung eine
atmende Lebensfülle und Kraft übermittelt.
Und von welcher fchöpferifchen Geftaltungsgabe Spricht die Kompofidon. Das Wefen
des Ritterlichen galt es in Sinnlichster Kraft zu erfaffen. Dazu dient diefem Künftler
die Betonung der Senkrechten. Die faft unförmlich zufammonkauernde Geftalt des

Der Cicerone, iX. Jahrg., Heft 17/18

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