Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 9.1917

DOI Heft:
Heft 9/10
DOI Artikel:
Lange, K.: Alte Niederrheinische Töpfereien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26456#0173

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ALTE NIEDERRHEINISCHE TÖPFEREIEN
mit 9 Abbildungen Von K. LANGE
TTus den Umwälzungen, die auf ailen Gebieten des Kunftgewerbes ftattgefunden
haben, hat bis jet)t die Keramik am meiften gewonnen. Das Bedürfnis nach
künftierifcher Umgeftaltung und Belebung führte hier zu den überrafchendften Ergeb-
niffen, nadidem Künftler von Beruf es unternommen hatten, das Handwerksmäßige
der Kunfttöpferei fich anzueignen, um felbfttätig in die Bewegung einzugreifen und
aus den verfchiedenen, zum Teil ganz aus der Mode gekommenen und brach liegen-
den Herftellungsverfahren neue Verfuche einzuleiten. Ohne ein Anlehnen an alte aus-
ländifche Vorbilder waren diefe Verfuche freilich nicht denkbar, aber wo technifche Er-
fahrung und künftlerifche Phantafie fich verbanden, da entftanden jene eigenartigen
Gebilde, wie wir fie als Vafen, Teller, Schüffeln in kunftgewerblidien Läden, bei kunft-
finnigen Sammlern und in Mufeen bewundern können. Diefe Wiedergewinnung ver-
lorener Werte danken wir dem Studium des alten, heimatlichen keramifchen Kunft-
gewerbes, das fich einft am Niederrhein des beften Anfehens erfreute. Aber man darf
dabei nicht vergeffen, daß nicht das Erzeugnis, fondern der Geift, aus dem es gefchaffen
wurde, allein zum Vorbilde dienen kann. Zwar ift heute das Töpferhandwerk am
Niederrhein, befonders in der Umgebung Crefelds, noch nicht ganz erlofchen, es ift nur
fein künftlerifchen Gewandes entkleidet. Es ift noch nicht lange her, da blühte in
vielen Ortfchaften des Niederrheins eine gefunde keramifche Induftrie, die im 18. Jahr-
hundert ihre beften Tage gehabt hat.
Das Crefelder Kaifer-Wilhelm-Mufeum hegt in feinen unteren Räumen eine Samm-
lung der alten niederrheinifchen Tonarbeiten, die wert ift, daß man ihr eine über das
gewöhnliche Maß der Betrachtung hinausgehende Aufmerkfamkeit fchenkt, und die
vornehmlich den Keramiker, aber auch den Kunft- und Kulturforfcher, befonders den
Freund derHeimatkunft anzieht. Beim Befchauen diefer Sammlung der in viele Gruppen
verteilten Erzeugniffe der alten niederrheinifchen Töpferei können wir uns tiefergehen-
den Eindrücken nicht entziehen, wenn wir diefe Teller und Schüffeln betrachten, die
eine folche Fülle von urfprünglicher Schöpfungskraft und Formenfinn aufweifen, daß man
an der Leiftungsfähigkeit der einft am Niederrhein verbreiteten Bauerntöpfer nicht zweifeln
kann. Manch ungeahnte Reize treten da zutage. Die Pracht der großen Zierfchüffeln,
das Farbenfpiel auf Tellern und in Gefäßen bringen Werte hervor, die auf den un-
befangenen Befchauer ihre Wirkung nicht verfehlen. Wie wundervoll müffen die
Schüffeln nicht als Schmuckftücke in den behaglichen Stuben am Niederrhein gewirkt
haben! Aber fie waren nicht nur Luxusgegenftände, fie dienten gleichzeitig als Ge-
brauchsgegenftände im Haushalt. Darum waren fie doppelt fchön und geeignet für
das Heim des kleinen Mannes, weil fie das Nützliche mit dem Schönen vereinigten.
Weil fie Gebrauchsgegenftände waren, konnten fie natürlich keine raffinierten Kunft-
werke fein, die nur dem „Zierat" dienten. Nicht genug können wir die Verfertiger
der Stücke, die alten „Tonbäcker" bewundern. Sie waren freilich nur Handwerker,
aber mit unverdorbenem Gefchmack, in denen die alte Überlieferung fortlebte, die fich
vom Vater auf den Sohn und Enkel forterbte. Nur langfam vermochten neue Moden
und Stile ihren Einfluß auf die lokal begrenzte Formenwelt auszuüben.
Der Ton zeigt, befonders bei den in Hüls entftandenen Schüffeln, nach dem Brande
ein reines kräftiges Rot; an anderen Orten ift der Grundton dunkelrot bis braun; in
Frechen von neutralgrauer Farbe. Die Konturen der Zeichnungen wurden angeri^t, die
Figuren mit gelblich-weißem, auch braunem Begußton ausgemalt. Wenige Farben find
157

Der Cicerone, IX. Jahrg., Heft 9/10.

13
 
Annotationen