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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 9.1917

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Heft 9/10
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Lange, K.: Alte Niederrheinische Töpfereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.26456#0174

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ALTE NIEDERRHEINISCHE TÖPFEREIEN

angewandt, Manganbraun, Kupfergrün und Blau. Das Ornament ift einfach und ver-
ftändlich für jedermann, da es ganz aus dem Umwelt der Leute gefchaffen und entftanden
ift, deren Wohnräume es beieben foiite. Auch da, wo es fich um reichere Sdiüffeln
handelte, die ficher nie dem Gebrauch gedient haben, blieb die Formenfprache derb
und bäueriich. Unter den Gebrauchswaren finden wir Bier-, Milch- und Wafferkannen,
Teller und Schüffeln, Löffelbretter, Rafierfchaten und Fiiefen, die zur Verkleidung der
Wände benu&t wurden. Während naturgemäß auf den einfacheren Gebrauchsgegen-
ftänden der leichter zu zeichnende Blumendekor vorherrfcht, finden wir auf den großen
Zierfchüffeln vorwiegend figürliche Darfteilungen. Meift find es voikstümiiche, manch-
mal nicht ohne einen Zug leifen Humors aufgefaßte Heiiigengeftalten und biblifche
Szenen. Am häufigften kommt Maria ais Gnadenfpenderin in der Auffaffung des
wundertätigen Keveiaerer Bildes vor. Mit Gefchick und Gefchmack find auf den Zier-
fchüffeln die Figuren in den Raum komponiert und zu dekorativer Wirkung gebracht.
Die aiten Handwerksmeifter müffen dafür einen feinen Inftinkt gehabt haben. Neben
den über ein bäuerlich befchränktes Können nicht hinausgehenden Gebilden und neben
gefchmacklofen Entgleifungen begegnen wir Stücken, die echter Kunft ihre Entftehung
verdanken und in Aniage, Farben und Formenbildung überaus wirkungsvoil find. Schon
fehr früh begann man die Figuren piaftifch aufzulegen und nach und nach ließ auch
der Takt in der Kompofition nach. MitVoriiebe hat man auch Sprüche auf die Schüffein
gemalt, oft iangatmige Verfe, aber große Weisheiten enthalten fie nicht; vielmehr find
auch fie mit einem leichten voikstümiichen Bauernhumor in der Mundart des Landes
verfaßt. Zuweilen ift die Sprache rein holiändifch. Der Einfluß der hoiländifchen Kuitur
auf den Niederrhein war damals noch ein fehr großer, ftanden doch Crefeid und die
Graffchaft Moers bis 1702 unter oranifcher Herrfchaft.
Über die gefchichtliche Vergangenheit der niederrheinifchen Töpferei find wir ledig-
lich auf Grund mündlicher Überlieferungen und äußerlicher Übereinftimmungen in
Material und Technik einigermaßen unterrichtet. In den Quelienfchriften dagegen
fuchen wir vergebens nach Nachrichten über die Töpfereien. Die Gefchichtsfchreiber
der Keramik find an den niederrheinifchen Tonwaren vorbeigegangen, ohne Nach-
forfchungen angeftelif zu haben. Wie fehr die Kenner alter Keramik fich in Unkenntnis
befunden haben über Herkunft und Art der niederrheinifchen Töpferei, zeigt, daß man
die mit „Schaephuyfen" als Urfprungsort bezeichnten Stücke iange für Erzeugniffe
einer (nie gewefenen) Fabrik in Schaffhaufen am Oberrhein anfah. Demmin, Chaffers
und auch Jännicke in feinem Grundriß der Keramik (1879) übernahmen ohne weitere
Nachprüfung diefe keramifche Legende, die fich fogar in der neuen Aufiage des Werks
von Chaffers — Marks and Monograms — vom Jahre 1912 noch vorfindet. Bruno
Bücher hat diefen Irrtum bereits vor 20 Jahren berichtet, indem er das Dorf Schaep-
huyfen bei Crefeid als Urfprungsort foicher Tonfchüffeln nachwiesL In jüngfter Zeit
wurden die Arbeiten der niederrheinifchen Töpfer von J. Böhlau" in feiner Schrift über
die alte Töpferei im Werratale gewürdigt; Burckhard Meier erwähnt fie ebenfalls in
feinem Auffa^e über das Kreismufeum in Geldern (Cicerone, Juii-Heft 1914).
Die Orte, In denen die Töpferinduftrie vornehmlich heimifch war, und in deren
Nähe ergiebige Toniager fich finden, die feit alter Zeit nicht nur zur Bereitung von

* Mitteilungen des k. k. öfterreich. Mufeums für Kunft und Induftrie. Neue Folge VII, 1892
S. 6t ff.
- Eine niederheffifche Töpferei des 17. Jahrhunderts, 1903.

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