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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Basler, Adolphe: Pariser Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0067

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Das Problem der fremden Künftler in Paris ift fcßwieriger. Paris lockt heute die
Künftler von überall her an. Diefe Catfache ift indeffen nicht neu. Nur hat die 3at)l
diefer Künftler zugenommen und die Äbfafegebiete für die wachende Produktion bleiben
ftets die gleichen. Und wenn Gerr Vauxcelles, indem er von drei jungen franzöpfcßen
Malern fpridßt, fid) freut, in ißrer Malerei Franzöfifcß reden zu hören, fo ift dies eine
Erfcßeinung, die nicht zum Lachen Anlaß geben foll. Icß begreife, daß die Malerei
die Sprache einer Gefellfcßaft ift und, in Frankreich ganz befonders, die Sprache einer
gebildeten Gefellfcßaft. Und id) verfteße es, wie feßr ein Mexikaner, wie 3araga,
oder ein Ruffe, wie Jacques Liepfcßitj, deffen Bildwerke von der 3eitung des Germ
Vauxcelles „L’amour de l’art“ gerühmt wurden, die franzöfifcßen Maler und Bildhauer,
die meßr Calent als der Mexikaner und der Ruffe höben, verdrießen müffen. Aber in
der Kunftwelt von Paris von Fremdenfeindfd)aft fprecßen, das kann nur ein böswilliger
Menfcß. Ein Chagall, deffen Malerei nichts Franzöfifcßes hat, findet unter den fran-
zöfifcßen Malern Bewunderer: Segonzac, Dufresne, Moreau. Ich felbft glaube, wenn
icß gewiffe geniale ILlerke diefes Ghettokindes betrachte, eine Sprache ßerauszußören,
die ficß „jiddifcß“ nennt. Und hat der Weltbürger Pascin nicht ebenfo viele Be-
wunderer in Paris wie in Amerika oder in Deutfcßland? Und Picaffo, Manolo,
Germandez und alle die fpanifcßen Maler und Bildhauer, die in Paris häufiger find
als in Spanien!
Die Galerie Weill zeigt uns, nachdem fie verfcßiedenen Manieriften wie Favory,
Biffiere, Gimmi und auch feinfühligen Malern wie Kayfer, Geltung verfcßafft hat,
einen jungen Maler Cßevenet, deffen Begabung ermuntert zu werden verdient. Er
ft ein ehrlicher, ftrebfamer Künftler, der den leichten Erfolgen, die eine gefcßickt
zufammengeftellte Palette geben kann, nicht traut. Er bildet die Formen durchs Ließt,
und da er in der Scßule Segonzacs gelernt hat, Courbet und die ßolländifcßen Meifter
zu lieben, feßeint er an ißrer köftlicßen Art Gefcßmack zu finden.
In der Galerie Simon bietet uns eine junge Malerin, Frau Suzanne Roger, Gaben
klugen dekorativen Gefcßmackes in ißren, man möchte fagen, in cama'feu gemalten
Kompofitionen. Die dreißig oder vierzig von diefer Dame ausgeftellten Bilder find alle
in der gleichen grauen, kaum abgeftuften Conalität gehalten, und erfeßeinen wie Va-
rianten eines Bildes, daß fie den Gegenftänden entfpreeßend, die fie behandelt, ver-
ändert. Aber die Einförmigkeit diefer Malerei wird durch eine nicht gewöhnliche
poetifeße Anmut erträglich.
Die Ausftellung von Marquet in der Galerie Druet ift ein ebenfolcßes Ereignis wie
die des grapßifcßen Werkes von Matiffe bei Bernheim jeune (Radierungen, Kaltnadel-
arbeiten, feßr viele Lithographien, die älteften und die neueften, von denen einige ver-
griffen find).
Marquet wird verfeßieden beurteilt, je naeß den Kreifen, die ficß meßr oder we-
niger für feine Kunft begeiftern. Die große Meßrzaßl der Liebhaber bewundert vor
allem feine Landfcßaften. Sie bewundert fie wie man vor 20 Jahren die Claude
Monets bewunderte. Marquet ift ein einzigartiger Virtuofe in feiner Art. Er ift der
wunderbarfte optifeße Apparat, der mit dem Ließt alles gestaltet, mit einem Ließt von
einer unvergleichlichen Intenfität, das die Conbezießungen bis in ißre fernften Stufungen
beßerrfeßt. Das ift eine Art optifeßer Mechanismus, der es nur auf die Genauigkeit
abfießt, die in der Cat das Unglaublicßfte der Art in der modernen Malerei ift.
Aber nachdem icß die zauberßafteften Landfcßaften, die ein moderner Maler je feßuf,
genoffen und bewundert hatte, verließ icß die Ausftellung von Marquet und habe von
ißr keinen ftärkeren Eindruck davongetragen als den eines Scßaufpiels im 3irkus, wo
icß einen Akrobaten in feinen Paradeleiftungen bewunderte.

Der Cicerone, XVI. Jal)rg., I)eft 1

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