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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0068

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DIE ZEIT UND DER MARKT

Sammlungen
Die Neuordnung des Prado
Ein Ereignis, das von allen Kunftfreunden und
Kunftkennern, nicht nur in Spanien felbpt, fon-
dern allenthalben in der gebildeten Cllelt, mit Ge-
nugtuung zu becirüßen ift, ift die unlängft erfolgte
Einweihung einer Anzahl teils neu eröffneter,
teils neugeordneter Säle des Prado-Mufeums.
Der König felbft, begleitet von der Königin,
wohnte dem feierlichen Akt bei und wurde
durch den Herzog von Alba, als den Eßren-
vorpßenden des Verwaltungsausfchuffes der welt-
berühmten Sammlung, empfangen.
Fjiermit ift die von dem verdienftvollen und
zu früh verdorbenen Direktor des Mufeums,
Aureliano Berruete, in Angriff genommene Neu-
ordnung der hier aufgeftapelten, unvergleichlichen
Kuriftfcßätje, die durch feinen Nachfolger Alvarez
Sotomayor im gleichen Sinne fortgefeßt wird
um einen wichtigen Schritt der Vollendung näher
gerückt. Der FJauptgedanke, der diefer Reor-
ganifation des Prado-Mufeums zugrunde liegt,
ift — neben dem Beftreben dem hier aufbe-
wahrten künftlerifchen Vermächtnis Spaniens
großer Vergangenheit einen würdigeren und vor-
teilhafteren Rahmen, als bisher, zu geben — der
fflunfcß einer überfichtlicheren und zweckmäßi-
geren Anordnung, wobei der künftlerifcße und
gefchichtlicbe Ruhm Spaniens gewiffermaßen in
den Vordergrund gerückt wird. In diefer Ab-
ßcht pnd eine Reiße bisher die Einheitlichkeit
des Mufeums ftörender ünterabteilungen, wie
die Säle fpanifcß-italienifcßer religiöfer Kunft
oder die mehrere Jahrhunderte umfaffende Por-
trätfammlung, aufgelöft worden und nur noch
der Geficßtspunkt einer 3ufammenftellung nach
einzelnen Schulen und, innerhalb diefer, der ge-
fcßloffenen Vereinigung der ülerke ihrer erften
Meifter, berückficßtigt worden. Dadurch, daß
eine Reiße neuer Säle zur Verfügung geftellt
werden konnte, war es möglich der Anordnung
und Verteilung der Gemälde eine weit größere
Sorgfalt, als bisher, zuzuwenden.
Die Senfation der in den letzten Monaten
durchgeführten Reform bildet die Neugeftaltung
des in mancher Beziehung den Glanzpunkt des
Mufeums bildenden Velazquez-Sales. Die bis-
herige, etwas brutale ttlandbemalung ift einer
diskreten Befpannung gewichen, namentlich aber
find direkt ftörende Deckenmalereien verfcßwun-
den. Der Cüirkung kommt es felbftverftändlicß
zu ftatten, daß die ülerke des großen Sevillaners
nicßt mehr in einem Saal zufamrnengedrängt
find, fondern zugleich auf zwei kleinere Neben-
räume verteilt find, von denen der eine mit dem
fcßon vor einiger 3eit eingerichteten Greco-Saal
in Verbindung fteßt, während der andere den

3ugang zu einer noch interimiftifcßen Sammlung
von Gemälden und polychromen Skulpturen
früherer fpanifcßer Kircßenkunft,bildet.
Durch diefe Fjauptgruppe werden zwei ftatt-
licße Reißen von im Verlauf der lebten Monate
neugeßängten Sälen gefcßieden, von denen die
einen den Italienern, die anderen den Nieder-
ländern gewidmet pnd. Namentlich kommen
erft jeßt in diefer neuen Aufmachung die unver-
gleichlichen Scßätje, die das Mufeum von Rafael,
Cizian und Rubens beptp und die bisher zum
Ceil in verfcßiedenen Abteilungen verftreut waren,
recht zur Geltung.
An fonftigen Neuerungen, die befonders zu
begrüßen find, wäre zu erwähnen, daß die deut-
fcßen und niederdeutfcßen Meifter des 15. und
16. Jaßrßunderts, die vorläupg in kellerartigen
Räumen ziemlich ftiefmütterlicß untergebracht
waren, in den bisherigen Porträtfälen, jeßt „Salas
Germanicas“ ein neues würdiges FJeim gefunden
haben. Dürers prachtvolle Akte Adam und Eva
hatten hier fcßon vor einigen Monaten den Pla£
und die Beleuchtung gefunden, den pe verdienen.
Endlich pnd fämtlicße ttlerke von Goya, die
zuvor an drei verfcßiedenen Stellen verteilt
waren, in allerdings nicßt feßr günftig gelegenem
zufammenßängenden Räumen des Erdgefcßoffes
vereinigt worden. Manche meinen, daß es ficß
hierbei nur um eine vorläupge Unterbringung
handeln kann und der fcßon oft erörterte Plan
eines befonderen Goya-Mufeums für Madrid
bildet aufs neue einen beliebten Gefpräcßsftoff.
und es ift ohne 3weifel ein verfüßrerifcßer Ge-
danke, alle künftlerifcßen und kunfthiftorifcßen
Erinnerungen einfcßließlicß der Vor- und Nach-
zeit diefes gewaltigen Genius zufammenzufaffen,
der die Brücke fcßlägt von der Vergangenheit
zur Gegenwart und von deffen Nachlaß die
Romantik in Spanien und in Frankreich zehrte.
Ein befonderer Gewinn für die Ausftattung
der neu eröffneten Räume ift, daß in einigen von
ißnen der gleichen Epoche angehörende Bronze-
ftandbilder, die bis jetjt in der Skulpturenfamm-
iung des Erdgefcßoffes untergebracht waren,
aufgeftellt worden find.
So begrüßt neuerdings den Befucßer beim Ein-
tritt unter der Kuppel der das Veftibül bildenden
Rotunde Pompeo Leonis Denkmal Karls V., des
einftigen Begründers diefer Sammlung, mit der
genau genommen kein Mufeum der ganzen Cüelt
den Vergleich wagen kann. Denn das Prado-
Mufeum ift keine unorganifcße Anhäufung zu-
fammengekaufter oder zufammengeraubter Kunft-
fcßäße, es ift das lückenlofe Denkmal, an dem
die erften Meiper der 3eit gearbeitet haben, der
Jahrhunderte, in denen im Reich der fpanifcßen
Könige die Sonne nicßt unterging.
Alfred Demiani.

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