Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

DOI Artikel:
Escherich, Mela: Mainzische Madonnen
DOI Artikel:
Dingeldey, Helmut: Johann Friedrich August Tischbein (1750-1812): zur Ausstellung von Gemälden und Zeichnungen des Künstlers im Leipziger Kunstverein
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0462

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
faß und fcßreibt in eine auf feinen Knien liegende Scßriftrolle, um die Namen der
Gläubigen einzutragen1.
Die Statue ift von zierlicßfter Änmut, das an beiden Seiten aufgenommene Über-
gewand büfcßelt fidß reieß, aber oßne Übertreibung zu dekorativem Faltenfcßmuck. Die
über den Füßen umbiegenden Falten, die noeß auf üradition des 14. Jaßrßunderts und
die feßon kurzen Proportionen mit dem verhältnismäßig großen Kopf, worin Back be-
reits einen Einfluß der Memorienportal-Statuetten des Doms fießt, laffen ißre Entfteßung
etwa auf 1415 [eben. Die feßönen, feft geprägten 3üge find von jenem Cypus, den
die Dicßter als „Rßeinifcße Römerin“ bezeichnen.
* *
*
Faffen wir kurz das Ergebnis zufammen: Die mainzifeße Kunft ßat Sondercßarakter.
Durcß die ftarke Grabmalstätigkeit in Mainz felbft und der Umgegend wurden woßl
Steinmeßen, obwoßl fie im allgemeinen im Mittelalter ein Wanderleben führten, be-
wogen, fieß in Mainz feßßaft zu maeßen. Es zeigen fieß Scßulzufammenßänge. Da-
durch wird die ftarke Beeinfluffung von außen gehemmt. Einzelne Meifter wandern,
wie jener des Gerlacßgrabes, bis nach Italien; aber es ift cßarakteriftifcß, daß fie davon
nur Äußerliches, Äufbaufcßemen mitbringen, und im übrigen wieder zur ßeimifeßen
üradition zurückkeßren. Die Mainzer Plaftik ßat ißre eigenen ikonograpßifcßen Motive
— das Mandorlamotiv der Madonna der Fuftftraße; die Madonna mit dem Gekreu-
zigten —, fie ßat aber aueß ißre ftiliftifeße Eigenart, den gehaltenen Vortrag, die Ruße
des Äufbaus, das feßr reizvolle 3ufammenfpiel von Gotik und antiker Erinnerung, eine
Wirkung, die meßr empfunden werden muß, als fie ausgefproeßen werden kann. Än-
dererfeits, in ftarker 3eitftrömung ftürmend und füßrend, das ungemein Malerifcße der
Äuffaffung, jenes fefte Inneftehen in der Linie, die zum Barock füßrt, und den Reiz
einer bei lebßafter Innerlichkeit feßr dezenten, in Änmut beruhigten Gefühlsäußerung.

Johann Friedrid) Äuguft Cifdjbein (1750—1812)
3 ur Äusftellung von Gemälden und3eid)nungen desKünftlers im
Leipziger Kunftvercin Mit 8 Abbildungen auf 6 Tafeln / Von HELMUT DINGELDEY
Zeßn Jaßre find nun verßoffen, feit mit jener umfaffenden „Äusftellung deutfeßer
Kunft von 1650—1800“ im Reßdenzfcßloß zu Darmftadt weiteren Kreifen die Ge-
legenheit geboten worden war, fieß durcß vergleichende Änfcßauung von der
Fruchtbarkeit und qualitativen Leiftung eines Gebietes deutfeßer Kunftentwicklung zu
überzeugen, das bis daßin und — leider muß es gefagt werden — bis ßeute kaum
fonderlicße Beacßtung gefunden ßat. Dies gilt ganz befonders für die Malerei und
nnerßalb diefer wieder in befonderem Maße für die 3ekfpanne etwa von der Mitte
des 18. bis zu den erften Jaßren des 19. Jaßrßunderts. Bei der Fülle des auf jener Darm-
ftädter Äusftellung von 1914 gerade für diefe kritifeße 3^it des Übergangs vom Rokoko
zum Klaffizismus gebotenen Materials ift es erftaunlicß, wie wenig neuefte Kunftforfcßung
die fo gegebene Änregung zu Einzelunterfucßungen verfpürte. Kann es docß nur durcß
Fjerausfcßälung und Würdigung möglicßft vieler Künftlerperfönlicßkeiten gelingen, die
Löfung der allgemein-künftlerifcßen 3eitfragen innerhalb der deutfeßen Malerei um 1800
zu überblicken und in ißrer Mannigfaltigkeit deutlich zu erkennen. Fjßute kann es nießt
meßr genügen, Rokoko und Klaffizismus vorwiegend an Beifpielen aus der Malerei
Frankreichs und Englands zu begreifen. Deutfcßland ßat in der Ärt, wie feine Maler

1 Nad) Feigel, Neuerwerbungen, Cicerone 1913, ein bekanntes Cßema der Blutsbruderfctjafts-
madonnen, das in Mainz oft dargeftellt wurde.
438
 
Annotationen