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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Hübner, Paul: Die Zukunft der preußischen Schlösser
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1056

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Die 3ukunft der preußifdjen Sd) löffer
Von Oberfinanzrat Dr. HÜBNER1

In den lebten Kriegsmonaten war eine Reibe von Scblöffern für militärifcbe 3wecke, insbefondere
für Lazarette, wie z. B. das Schloß Cßarlottenburg, zur Verfügung geftellt worden; infolge
der Staatsumwälzung wurden andere Scblöffer, in erfter Linie das Schloß Berlin, von. Matrofen-
trupps befeßt. Den Reft okkupierten die zurückkehrenden Feldtruppen und in den rheinifchen Ge-
bieten die ihnen nachfolgenden Gruppen der Entente. Gleichzeitig mit derÄuflöfung der 3entral-
gewalten begannen allerhand lokale Inftanzen, die Scblöffer kurzerhand für ihre 3wecke zu „be-
fchlagnahmen“, ohne fich um die verwaltende Behörde zu kümmern; es war fchon ein günftiger
Fall, wenn der Finanzminifter durch Om deklaratorifdbes 'Celegramrn davon erfuhr.
Im Dezember 1918 war der 3uftand etwa folgender: Das Schloß Königsberg war von Ma-
trofen befe^t, Breslau von zurückgekehrten Feldtruppenteilen, das große Schloß Berlin mit dem
Marftall war in der Qand der Matrofen, das Kronprinzenpalais von der Kommandantur Berlin
benutzt. Schloß Charlottenburg war zum großen Geil Lazarett, Kiel war von Matrofen be-
feßt, Celle Gefangenenlager; in Glilbelmsböbe befand fich die Oberfte Beeresleitung, inFjom-
burg Gruppen des Bauptquartiers, in Schloß Gliesbaden war ein franzößifd)es Ärmeekommarido
eingerückt, Schloß Brühl war vollkommen belegt mit kanadifchen Gruppen, und Koblenz entging
militärifcher Benutzung nur durch) fcßleunigfte Überfiedlung der Regierung aus ihrem eigenen Dienft-
gebäude in das Schloß. In anderen Städten drohte die Befd)!agnahme der Scblöffer durch lokale
Inftanzen, insbefondere zu Globnungszwecken; in Kaffel wurde der Einzug von 3wangsrnietern
in das Refidenzfchloß tatfächlicb erzwungen.
In faft allen diefen Fällen war die Staatsregierung äußerlich machtlos, denn fie fab fid) ein-
facher Brachialgewalt gegenüber. Das einzige Mittel war gütliche Verhandlung. Nur in einem
Falle konnten und mußten die damaligen Machtmittel des Staates eingefebt werden: beim Schloß
Berlin. Über die Scbickfale des Scbioffes Berlin während des Günters 1918/19 exiftiert ja bereits
eine ganze Literatur. Der Ängriff der Gruppen am Gleibnacbtsmorgen 1918 hatte aber zur Folge,
daß wenige Gage darauf das Schloß von den Matrofen geräumt wurde und feitdem auch nicht
mehr in größerem Umfang militäräfcb befetjt worden ift. Von den auf das Schloß abgefeuerten
Granaten drang glücklicherweife nur eine einzige ins Innere; fie durdjfcßlug die beiden Erdmanns-
dorffcßen Säle über Portal V an der denkbar unfcßädlicbften Stelle. Sonft aber ift nur noch ein
Schloß das 3iel von Gefchüt^feuer gewefen, nämlich Königsberg; auch dort ift nennenswerter
Schaden nicht entftanden. Bei den innerpolitifcben ünruben waren die Scblöffer noch öfters ge-
fährdet, die Berliner Scblöffer insbefondere bei den Spartakuskämpfen 1919, beim Kapp-Putfcb
1920 das Breslauer Schloß, und fcßließlich ift das Schloß in Koblenz noch im lebten Jahre durch
die Separatiften fyftematifcb geplündert worden. Daß bei allen diefen Invafionen, wo zum Scbutj
gegen die oft rückficbtslofe Gewalt uns meift keine Machtmittel zu Gebote ftanden, verhältnismäßig
wenig Schaden entftanden und wirklich ünerfeßbares überhaupt nicht zerftört oder entwendet
worden ift, das ift in erfter Linie den alten Scßloßkaftellanen zu danken, die oft unter Einfeljung
ihrer Perfon den Eingang zu koftbar ausgeftatteten Räumen und Depots den Eindringlingen ver-
wehrt und wertvolle Kunftwerke gefchickt verborgen haben.
Erft mit der fortfcbreitenden Beruhigung aller Verbältniffe nahm auch die Verfügungsgewalt der
Behörden wieder zu, und wir konnten daran gehen, die felbpherrlicben Infaffen der Scblöffer all-
mählich zurück- und binauszudrängen und eine angemeffene Benuljung der Räume — foweit eine
Benutzung überhaupt zugeiaffen werden konnte — in die Glege zu leiten. Batten wir alles, was
irgendwie einmal bißorifcbes Intereffe haben könnte, ängftlicb zu konfervieren uns bemüht, fo hätte
rnan uns in kurzer 3eit als Menfcben, die für das praktifcbe Leben blind find, einfach beifeite ge-
fcboben. Hls unberübrbar haben wir diejenigen Gebäude oder Gebäudeteile betrachtet, wo ein
unverfebrter, einheitlich gewacbfener künftlerifcßer Komplex an feiner bißorifcben Stelle noch er-
halten war. <Har aber ein folcbes Refervat feftgeftellt, fo mußte nicht nur die Subftanz erhalten,
fondern auch die Gepflegtheit der Umgebung, das cambiente, mit allen Mitteln gefcbüßt oder
wiederßergeftellt werden. Bandelte es fich dagegen um Objekte von geringem oder zweifelhaftem
Giert, fo durfte das Inslebenziehen des Ganzen nicht durch verhältnismäßig geringfügige Bedenken
gehindert werden.

1 Verkürzte üliedergabe eines Referats auf dem Denkmalpflege-Üage in Potsdam am 4. September d. J.

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